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: Bayern verliert in Mailand und glaubt weiter

Ein brüchiger Strohhalm

Ach, könnten sie doch nur die Klappe halten, diese Bayern! Alles wäre so einfach, selbst nach dem 1:2 beim AC Mailand, der dritten Niederlage im vierten Champions-League-Match. Der Aufbau einer neuen Mannschaft dauere eben seine Zeit, da müsse man halt auch mal ein frühes Aus im Europacup in Kauf nehmen, wäre ein Argument. Ein anderes, dass auch Leute wie Ballack oder Zé Roberto eine Führungsgestalt wie Stefan Effenberg nicht von heute auf morgen ersetzen könnten. Außerdem seien viele Spieler noch müde von der WM, wo sie sich ja schließlich nicht so früh verabschiedet hätten wie die Herren Maldini, Inzaghi und Co.

Aber die Bayern wären nicht die Bayern, wenn sie die Klappe halten könnten. Und so musste Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge unbedingt die Mär von der „besten Bayern-Mannschaft aller Zeiten“ in die Welt setzen und Trainer Ottmar Hitzfeld auch nach den ersten Klatschen noch munter vom Finale schwadronieren. Und jetzt schweben sie in großer Erklärungsnot, was an letztes Frühjahr erinnert, als sie mit markigen Sprüchen zum Viertelfinale nach Madrid gereist waren, um dann gegen Real jämmerlichen Angsthasenfußball zu bieten.

Was bleibt, sind Durchhalteparolen. Verzweifelt klammern sich die Münchner an den letzten Strohhalm, den ihnen Deportivo La Coruña mit dem 1:3 in Lens gelassen hat und bemerken gar nicht, wie brüchig dieser ist. Zwar können die Bayern bei allergünstigster Konstellation tatsächlich noch die zweite Champions-League-Runde erreichen, doch der Sieg der Franzosen bedeutet auch, dass diese jetzt vier Punkte haben, die Münchner aber nur einen. Die Wahrscheinlichkeit, sich gänzlich aus dem Europacup zu verabschieden und nicht mal mehr als Gruppendritter den Transfer in den Uefa-Cup zu schaffen, ist somit stark gestiegen.

Natürlich glauben die Herren vom Bundesliga-Tabellenführer, dass sie selbstverständlich die restlichen beiden Partien gegen Deportivo und Lens gewinnen, so wie sie nach der Hinspiel-Niederlage gegen Milan überzeugt waren, die restlichen drei Partien zu gewinnen. Die Frage, wieso ein Team, das in vier Spielen einen Punkt geholt hat, plötzlich derart auftrumpfen sollte, konnte jedoch selbst Uli Hoeneß nicht schlüssig beantworten. „Das weiß ich auch nicht. Ich bin doch kein Prophet“, blaffte der Manager.

Ansonsten war man bemüht, das Mailänder Spiel in rosigste Farben zu hüllen – eine müde Partie gegen einen kaum motivierten Gegner, dem ein Punkt vollkommen gereicht hätte. Wenn der AC in seinen restlichen beiden Matches ebenso lahmarschig zu Werke geht, dürfte es mit der dringend benötigten Schützenhilfe jedenfalls kaum etwas werden. „Prima gespielt“, war indes der Bayern-Tenor, der verletzt ausgeschiedene Oliver Kahn verstieg sich sogar zu der Theorie, dass sein Team so schönen Fußball biete wie niemals zuvor, deshalb die Defensive vernachlässige und ungerechterweise mit Niederlagen bestraft werde. „Leider zählt ja nur das Ergebnis“, klagte der Torhüter, ein Satz, von dem man auch nie erwartet hätte, ihn einmal aus dem Munde eines Bayern-Spielers zu hören.

„Man muss hoffen“, hatte Giovane Elber schon vor Mailand gesagt, „dass der liebe Gott wirklich ein Bayer ist.“ Sollte es jetzt noch klappen, ist der Beweis erbracht. MATTI LIESKE