Schwünge aus dem Abseits

Morgen beginnt in Sölden der alpine Ski-Weltcup und vor allem die Läuferinnen des Deutschen Ski-Verbandes wollen nach missratener letzter Saison den Popularitätsschwund ihrer Disziplin stoppen

von KATHRIN ZEILMANN

Gefragt nach den Favoritinnen auf den Gesamtweltcup der alpinen Skirennläuferinnen, antwortet Martina Ertl, dass sie Vorjahressiegerin Michaela Dorfmeister und die starke Kroatin Janica Kostelic ganz oben auf ihrer Rechnung habe. „Auch Hilde Gerg wird stark sein“, fügt sie hinzu. „Und ich will schauen, dass es besser läuft als im vorigen Winter.“ Ertl, oft als Ski-Diva oder „Primadonna“ (Süddeutsche Zeitung) bezeichnet, könnte man derzeit fast ein Muster an Bescheidenheit nennen.

Bescheidenheit scheint für die Alpinen im Deutschen Skiverband (DSV) vor dem Beginn des Weltcups am Wochenende in Sölden angebracht zu sein, denn der Vorwinter war schlichtweg verkorkst. Bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City gewann Ertl mit Bronze in der Kombination die einzige Medaille. Hilde Gerg, die sich gemüht hatte und manchmal schon ganz nahe dran war an der Spitze, blieben nur Tränen. Ausgerechnet die Dauerkonkurrentin aus dem eigenen Team hatte eine Medaille errungen und die sehr dürftige Olympiabilanz der Skirennläufer ein wenig geschönt. Jene Martina Ertl, die mit den Trainern offen auf Konfrontationskurs gegangen war, lieber ihre eigenen Brötchen gebacken hatte und vor allem in ihrer sonstigen Paradedisziplin Riesenslalom der Konkurrenz hoffnungslos hintergefahren war. Doch das ist vorbei, das Team scheint entschlossen, sich auf die neuen Aufgaben zu konzentrieren, alte Misserfolge und Querelen hinter sich zu lassen. „Wir sind hoch motiviert“, sagt Damen-Cheftrainer Wolfgang Maier. „Unser Ziel ist es, mehrere Athletinnen unter die besten Zehn zu bringen.“

Trotz aller Rückschläge in der vergangenen Saison weiß er, was er an seinen beiden Spitzenfahrerinnen Gerg und Ertl hat, die immer noch das Zeug zum Siegen haben. Aber Gerg hat bereits bekundet, ihre Laufbahn nach diesem Winter zu beenden. Maria Riesch und Isabelle Huber lauten die Namen, die Maier gerne öfter in den Ergebnislisten weit vorne sehen möchte. Sie sind Talente, sollen gefördert werden und die These widerlegen, die Alpin-Abteilung des Skiverbandes habe ein Nachwuchsproblem.

Maier und seine Schützlinge stehen unter Druck. Längst ist die einstige Vorzeigesportart des DSV in Zuschauer- und Sponsorengunst von Skispringen und Biathlon abgelöst worden. Selbst die Kombinierer und die Langläufer mit ihren attraktiven Sprints finden immer mehr Aufmerksamkeit und drohen die Alpinen ins Abseits zu manövrieren – sollten die Erfolge ausbleiben. Die Rückgabe des Weltcup-Rennens in Garmisch-Partenkirchen an den Internationalen Skiverband mangels Finanzierungssicherheit macht deutlich, dass Interessen für eine Sportart schnell abkühlen können, wenn die Siege fehlen. Immerhin: „Wir haben gut trainiert“, sagt Maier, „und sind sehr motiviert.“

Und er wird seine Kollegen aus der Herrenabteilung kaum beneiden: Denn hier sieht es düster aus. Florian Eckert, der WM-Dritte in der Abfahrt 2001, ist der alleinige Leistungsträger, doch der Tölzer ist verletzt. Der Trümmerbruch, den er sich vor einem Jahr zugezogen hatte, bereitet immer noch Schwierigkeiten. Wann Eckert wieder Rennen fahren kann, ist ungewiss, im schlechtesten Fall muss er eine weitere Saison pausieren. Cheftrainer Martin Oßwald bittet um Geduld, wie jedes Jahr, wenn er gefragt wird, was man von seinen Athleten erwarten darf. Er wirft gerne neue Namen in den Raum: Stefan Kogler, Felix Neureuther (mit der Bürde des Nachnamens: Er ist der Sohn von Christian Neureuther und Rosi Mittermaier) und Christian Wenninger beispielsweise. „Sie müssen sich beweisen“, fordert Oßwald und hofft auf eine bessere Zukunft.

Für die Weltmeisterschaft in St. Moritz hat der Männercoach kein konkretes Ziel, das wäre zu vermessen. Anders Martina Ertl: „Ich will meinen Weltmeistertitel in der Kombination, den ich 2001 geholt habe, verteidigen.“ Und schon ist es wieder vorbei mit der Bescheidenheit.