Barbecue als Jiangs Krönung

Der chinesische Staats- und Parteichef besucht heute George W. Bush auf dessen Ranch und will damit China ein für alle Mal aus der Isolation vom Westen befreien

Jiang erfährt von Bush in Texas eine Ehre, die für Schröder momentan unvorstellbar ist

PEKING taz ■ So schön kann die große Politik Wetter machen: „Der Himmel über Houston war blau, der Wind wehte sanft, und die Landschaft war hübsch,“ berichtete gestern Pekings amtliche Volkszeitung auf dem Titelvon der Ankunft des chinesischen Partei- und Staatschefs Jiang Zemin im US-Bundesstaat Texas. Eine ähnliche Schönwetterstimmung dominiert seit Monaten Chinas Medienberichterstattung über die USA. Sie dient nur diesem Freitag in Texas: Heute endlich soll Jiang die nach Pekings Vorstellungen höchste politische Ehre der Welt erfahren.

Heute wird Jiang mit US-Präsident George W. Bush auf dessen Ranch in texanischen Crawford Rindfleisch grillen und danach, nur in Begleitung eines Übersetzers, gemeinsam mit dem Gastgeber Boot fahren. Unvorstellbar, dass Bush dem deutschen Kanzler derzeit einen solchen Empfang bereiten würde. Nur der russische Präsident Wladimir Putin, Bushs Busenfreund Tony Blair und der saudi-arabische Kronprinz Abdullah kamen bisher in den Genuss der unter Diplomaten als „höchste Empfangsebene“ qualifizierten Rancheinladung. Dementsprechend entzückt reagiert Peking: „China und die USA bleiben in vieler Hinsicht unterschiedlich“, schreibt die englischsprachige Parteizeitung China Daily, „aber noch nie waren beide Länder so eng verbunden wie heute.“

Wie es scheint, denkt die Bush-Regierung ähnlich. In Crawford findet heute bereits das dritte US-chinesische Gipfeltreffen innerhalb eines Jahres statt. US-Außenminister Colin Powell überbrachte zu Jiangs drittem USA-Besuch innerhalb dessen 13-jährigen Amtszeit zudem die frohe Botschaft, dass Bush in China nunmehr „einen Freund“ sähe. Dabei war dessen Regierung noch während ihrer ersten Amtswochen vor eineinhalb Jahren damit aufgefallen, China als weltpolitischen „Rivalen“ und „Konkurrenten“ zu betrachten. Washington erwog damals gar, die Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an Peking zu verhindern. Das war die Zeit, als die Volkszeitung Bush als „prahlerisch“ und „selbstgefällig“ bezeichnete. Danach kam es noch schlimmer: Als im April 2001 ein US-Spionageflugzeug mit einem chinesischen Jet vor der südchinesischen Küste kollidierte und der dabei getötete Pilot Wang Wei in China anschließend zum „Märtyrer“ ernannt wurde, schien die Atmosphäre zwischen beiden pazifischen Großmächten so vergiftet, dass einige bereits von einem neuen Kalten Krieg in Asien sprachen.

Doch das sind alte Geschichten von vor dem 11. September 2001. Heute wollen die Präsidenten Jiang und Bush seelenruhig gemeinsame Pläne im Kampf gegen den Terrorismus erörtern. Nicht einmal Nordkoreas Geständnis von seinem Atomwaffenprogramm wird sie dabei stören. Denn Jiang hat die proamerikanische Kurswende der chinesischen Außenpolitik bis auf weiteres programmatisch durchgesetzt. Er sicherte den USA nur Stunden nach den Anschlägen vom 11. September Chinas Unterstützung im Weltsicherheitsrat zu und verbittet sich seither jegliche Fundamentalkritik an den USA – bis hin zur Duldung der US-Angriffspläne gegen den Irak. Mehr noch: Jiang präsentiert Chinas Hinwendung zu den USA in Texas als sein wichtigstes politisches Vermächtnis, weil die Reise unmittelbar vor seinem Rücktritt stattfindet, der für den 16. Parteitag der KP im November erwartet wird.

Hunderte einflussreicher Politbüro- und Zentralkomiteemitglieder mussten zwei Monate auf Jiang warten, weil dieser den zunächst für September geplanten Parteitag wegen seines Treffens mit Bush auf November verschieben ließ. Nun aber müssen ihm alle daheim zuschauen, wie er auf der Seite George W. Bushs von der Ranch die Weltgeschicke lenkt. „Viele heißblütige chinesische Jugendliche sind unzufrieden, weil Jiang keine härtere Haltung gegenüber Bush zeigt“, warnt eine Stimme im Chatroom der Volkszeitung. Natürlich weiß Jiang von solcher Kritik und ist sich vermutlich gerade deshalb sicher, dass ihm den Auftritt beim Barbecue in Crawford so leicht kein chinesischer Kommunist nachmacht. GEORG BLUME