Endlich wieder aufrecht durch Bremen gehen

Mit vielen Gästen, Dampf, Laser, Tuschs und dem ganzen Schnetterengteng wurde gestern das frisch renovierte Kontorhaus am Markt eröffnet. Schönheitsfehler: Der Zugang zur Langenstraße dürfte noch ein Weilchen versperrt bleiben: „Hier ist noch nicht alles Hosianna“, grollt ein Händler

Irgendein peitschenmäßig pessimistisches Nietzsche-Zitat hatte Josef Hattig gestern auf den Lippen und verkniff es sich dann doch, um die derzeit flaue Wirtschaftslage in der Welt und Weser-City zu beschreiben. Hattig: „Das ist nämlich heute für einen Wirtschaftssenator ein vergnüglicher Einstieg ins Wochenende.“ Der Grund: Mit vielen Gästen, Dampf, Laser, Tuschs und dem ganzen Schnetterengteng wurde das frisch renovierte Kontorhaus am Markt eröffnet.

Für 42 Millionen Mark sind das ehemalige Telekom-Gebäude samt Ex-Möbel Thäte zur Shopping-Meile umgebaut worden. Ein schickes Gründerzeithaus mit typischem Bremer Backstein-Flair in Sahnetorten-Lage. Drin: Die Büroräume der Bremer Investitionsgesellschaft, die der Immobilienfirma Justus Grosse, ein Edel-Friseur samt Schönheitsstudio, Geschenk-Boutiquen, eine Catering-Firma, eine Schnell-Spaghetteria und eine Cappuccino-Bar, an der es gestern Gratis-Kaffee und rüde Hinweise gab, keine Zigarretten aufs niegelnagelneue Passagentrottoir zu schmeißen.

Laut Josef Hattig alles „erstklassige Investoren, die erstklassige Arbeitsplätze geschaffen haben“. Mit diesem und anderen City-Projekten könnten die Bremer „endlich wieder aufrecht durch die Innenstadt gehen“ – dabei wurden jüngst nicht übermäßig viele Buckelige in der City gesichtet. Endlich werde jetzt auch die Langenstrasse – „bis jetzt war das da ja friedhofsmäßig“ - wieder aufblühen, summt der Senator beglückt weiter.

Doch hier irrte Hattig. „Noch ist hier nicht alles Hosianna“, grollt Jürgen Nehen von der Buchhandlung Storm. Seit dem 15. Februar 2001 sind nämlich die Zugänge zu seinen zwei Läden in der Langenstraße gleich von drei Baustellen eingekeilt: von der Alten Börse, die im Frühjahr als Peek & Cloppenburg eröffnen soll, von der Obernstraße und bis gestern auch vom neuen alten Kontorhaus.

Schmökernde wurden vom Baggerlärm gestört, oft herrschte bei Strom wirklich „friedhofsmäßige Ruhe“. Nehen mußte schon entlassen. Früher sagte Nehen, „hier sieht es aus wie auf einer Werft“, heute nennt er es das „City-Trauma“.

Und natürlich hoffte der von Baustellen umzingelte Unternehmer, mit der Eröffnung des Kontorhauses sei endlich Schluss mit Krach, Dreck und Einsamkeit – Pustekuchen!

Da sich die Eröffnung von Peek & Cloppenburg verschiebt, dürfte die Langenstraße weiter vom Kundenstrom verschont bleiben: Die Eröffnung verzögert sich wegen Kranarbeiten um mindestens einen Monat, nur Passanten, die bis zum Ende der Kontorhaus-Passage kommen, gelangen in die Langenstraße. Nehen: „Wegen des Krans bleibt alles bis auf Weiteres verbarrikadiert – man kann die Leute ja da nicht mit Helm durchschicken.“

Und trotzdem hofft er weiter auf Frieden und freien Zugang für seine Kunden.

Bis zum nächsten Jahr: Dann soll nämlich das ehemalige Haus der Sozialbehörde abgerissen werden, um das gegenüberliegende Parkhaus zu erweitern. Erste Adresse der neuen Bautätigkeit: natürlich die Langenstraße. Kai Schöneberg