„Warum bist Du so schwarz?“

Der Kameruner Victor Dzissah möchte Fremdenfeindlichkeit gar nicht erst aufkommen lassen. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ fragt der Titel seines Projektes. Er besucht die Kleinsten in Kindergärten und Schulen

„Als ich zum ersten Mal einen weißen Mann gesehen habe, wollte ich unbedingt seine Haare anfassen. Die waren so anders als meine.“ Der Mann, der das sagt, ist Victor Dzissah aus Kamerun, 44 Jahre. Er kann sich aber gut an die kindliche Neugier erinnern, mit der er als kleiner Junge die Welt entdeckt hat. Mit ebenso großen Augen umringte ihn vor ein paar Tagen eine Horde Kinder im Bürgerzentrum Vahr. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Niemand hier.

Die fünf- bis zehnjährigen Kinder kennen keine Berührungsängste. „Ist es in Afrika heiß oder kalt?“, „Was gibt es dort zu essen?“ oder „Victor, warum bist du so schwarz?“, fragen sie. Victor beantwortet alle Fragen. „Man darf die Neugier eines Kindes nicht auslöschen. Wenn mich ein Kind anstarrt, ist es nicht rassistisch“, erklärt er.

Und so gibt er die Frage nach der Hautfarbe zurück: „Was denkt ihr, warum ist meine Haut ein bisschen dunkler als eure?“ „Weil bei euch in Afrika die Sonne so doll scheint, dass sie euch schwarz macht“, glaubt ein kleiner Blondschopf. Victor Dzissah lächelt: „Dann müssten auch hier in Deutschland die Menschen im Sommer von der Sonne so schwarz werden wie ich“, gibt er zu bedenken. Die Kinder im Stuhlkreis überlegen. Schließlich springt ein Junge auf: „Ich weiß es, das hat die Natur so gemacht!“, ruft er aufgeregt.

Mit seiner unverkrampften Offenheit und seinen rhythmischen Sprechgesängen nimmt Victor Dzissah die Kleinen schnell für sich ein. Bald ist nicht mehr nur von Afrika die Rede. Immer mehr Kinder bringen ihre eigene Herkunft mit ein: „In der Türkei ist es auch sehr heiß“, erzählt ein Mädchen, „in Polen schneit es oft“, ein Junge und ein dritter sagt stolz: „Du kannst drei afrikanische Sprachen Victor, ich kann aber Russisch.“

Als der Kameruner eine große Weltkarte auf dem Boden ausbreitet, wird es spannend: „Wo liegt Afrika?“ Neben Asien, Australien oder doch neben Deutschland? Die Kinder sind sich nicht sicher. Im Wechsel von Frage und Antwort entdecken sie den Kontinent. „Wieviele Länder gibt es in Afrika?“ – „53!“, „Und wieviele Sprachen spricht man dort?“ – „Über 2000!“

Auch allerhand Früchte, Gewürze und Alltagsgegenstände hat der Mann aus Kamerun mitgebracht: Ingwer, Süßkartoffeln, Kochbananen und Augenbohnen breitet er vor den drängelnden Kindern aus, führt einen geschnitzten Kamm und einen Handbesen vor. Riechen, tasten, schmecken – die Kinder sollen Afrika mit allen Sinnen erfahren.

Die staunenden Knirpse lernen, dass nicht jeder Schwarze ein geborener Trommler ist und nicht alle afrikanische Kinder hungern müssen. Dzissah: „In den Medien ist Afrika nur ein Produzent von Katastrophen. Schon Kinder bekommen so ein völlig verzerrtes Bild.“ All diesen Klischees möchte er frühzeitig begegnen. „Das muss man anfangen, so lange sie noch so klein sind. Je früher desto besser. Kinder trauen sich noch zu fragen.“ Seit zwei Jahren besucht Dzissah, der in Bielefeld studiert hat, Schulklassen und Kindergruppen. Singend, tanzend, und erklärend tritt er dumpfen Vorurteilen entgegen, und begeistert dabei mit seinem Elan. Erfolgreich: „Das hat mir eine Mutter bestätigt. Ihr Sohn begrüßt bis heute alle schwarzen Männer, die er auf der Straße trifft, mit einem fröhlichen ‚Hallo Victor‘“, erzählt Dzissah schmunzelnd.

Anne Ruprecht