■ Steigende Preise – sinkende Einkommen
: Verteilungsgerechtigkeit

betr.: „Nullrunde für mehr Arbeit“, taz vom 22. 10. 02

Peter Grottian schreibt genau das, was ich seit Jahren sage: Mehr Arbeitsplätze dadurch, dass jeder, der Arbeit hat, nur ein paar Prozente weniger verdient. Die Gewerkschaften haben aber in dieser Hinsicht seit Jahrzehnten Arbeitslose übersehen und ihnen ein Gefühl vermittelt, als existierten sie nicht.

Was den Großkopferten hingegen einfällt (siehe taz vom 22. 10., Seite 8 links oben): Man kürzt das Arbeitslosengeld. Das heißt, man nimmt nicht denen, die 100 Prozent haben, 2 Prozent weg, um andere in Arbeit zu bringen, sondern man kürzt denen, die nur noch 67 Prozent bekommen, 7 Prozent. So, Herr Schröder, sieht Ihre Verteilungsgerechtigkeit aus.

KLAUS BAUM, Kassel

Die Grottian-Vorschläge möchte ich ergänzen um Möglichkeiten zur solidarischen Reduzierung der immer größeren Schere zwischen unteren und höheren Gehältern im öffentlichen Dienst, zum Beispiel durch Sockelbegrenzung bei künftigen Gehaltssteigerungen und Abbau des 13. Monatsgehaltes (familienbezogen) im höheren Bereich. Der öffentliche Dienst sollte mit einer solidarischen Tarifstruktur eine Vorbildfunktion für den privaten Bereich einnehmen – hier könnte die Politik auf allen Ebenen, auch durch Einfluss auf die Verhandlungsführer in den Tarifverhandlungen, tätig werden!

Entsprechende Einsparungen sollten in den Solidarpool zur Schaffung neuer Stellen eingerechnet werden. Einen Beitrag könnte auch eine Aktion der „Besserverdienenden“ leisten, indem sie sich mit allgemeinen Kürzungen für den Pool einverstanden erklären. Warum sollen sich nicht auch einmal die großen Gewinner der letzten Jahrzehnte Tarif- und Steuerpolitik im positiven Sinne zu Wort melden? Ich bin dafür.

HANS-HENNING V. HOERNER, Hannover

Wie lange muss es noch dauern, bis die von Grottian seit mehr als 20 Jahren immer wieder zu verschiedenen Politikfeldern vorgebrachten unorthodoxen und doch so nahe liegenden Vorschläge und Denkanstöße endlich von den politisch Handelnden ernst genommen werden. Mit welch immensem öffentlichen Brimborium werden die Hartz-Vorschläge als Weg oder Instrumentarium zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit gefeiert, mit welch ungeheuerem finanziellem Aufwand sollen diese in ihrer intendierten Wirkung durchgesetzt werden, wobei ihre tatsächliche Wirkung auf den Arbeitsmarkt durchaus zweifelhaft ist. Angesichts dringender gesellschaftlich sinnvoller und notwendiger Arbeit, die angeblich nicht mehr finanzierbar ist, geht der Grottian-Vorschlag nach einem Beschäftigungspakt zwischen öffentlichen Arbeitgebern und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di genau in die richtige Richtung. Wann lernen die Gewekschaften endlich, dass ihre gesellschaftliche Rolle sich nicht nur auf Lohn- und Tarifpolitik reduzieren darf. […] BERND NELLISSEN, Berlin

Es mag ja sein, dass man als Teilhochschullehrer, als Professor oder als Wirtschaftswissentschaftler eine Nullrunde einlegen kann, als normaler „Einverdiener mit Familie mit Kind“ und als Angehöriger der mittleren Einkommensliga mit Sicherheit nicht. Mir gehen all diese Großverdiener mit Spitzengehältern allmählich auf den Sack, die von Otto Normalverdiener ständig Kürzungen verlangen. Wir haben in den öffentlichen Nahverkehrsunternehmen schon seit Anfang der 90er-Jahre nur Nullrunden geschoben oder Gehaltserhöhungen mit dem Abbau der 13. Monatsgehälter oder des Urlaubsgeldes erkauft. Wie sagte schon Henry Ford: Autos kaufen keine Autos … Nicht umsonst stöhnen doch heute die Einzelhändler schon über mangelnde Kauflust.

HARDY BÖHM, Hamburg