DIE FRIEDENSDEMONSTRANTEN FORDERN ALLES – UND DAMIT NICHTS
: „Nein zum Krieg“ zu sagen reicht nicht

Friedensfreunde sind von Natur aus harmoniebedürftig. Das ist ein sympathischer Wesenszug – manchmal jedoch führt er zu Kompromissen, die all das Engagement wirkungslos verpuffen lassen. Selten war diese Gefahr so groß wie beim heutigen Aktionstag gegen den Irakkrieg. Um möglichst viele unterschiedliche Gruppen zu beteiligen, wählten die Veranstalter der meisten Demos ein möglichst schlichtes Motto. „Kein Krieg gegen den Irak!“ Oder: „Stoppt den Krieg gegen den Irak!“ In Mannheim heißt es sogar ganz ausgewogen: „Nein zum Krieg gegen den Irak – Nein zur Diktatur!“

Das klingt gut, das können alle unterschreiben: von altehrwürdigen Pazifisten über junge Globalisierungskritiker bis zu regierungstreuen SPD-Wählern. Doch genau in dieser Unverbindlichkeit liegt das Problem, der Mobilisierung – und der medialen Wirkung. Wenn als zentrale Botschaft nur „Nein zum Krieg“ hängen bleibt, kann das auf den ersten Blick nicht schaden. Aber ändern wird sich dadurch wenig – weder in Washington noch in Berlin.

Das Nein zum Krieg vertritt der Bundeskanzler schon lange. Wenn ihm bei seiner Ablehnung eines Angriffs auf den Irak heute noch ein paar tausend Landsleute „den Rücken stärken“, wie einer der Aktivisten sagte, wird das den US-Präsidenten kaum zusätzlich beeindrucken. Einen Sinn haben die Demonstrationen nur, wenn sie über das Nein zum Krieg hinausgehen und Druck auf die eigene Regierung machen. Mit einigen wenigen griffigen und politisch relevanten Forderungen wie dem Abzug der Spürpanzer aus Kuwait.

Darauf aber konnten sich die Friedensfreunde nicht einigen – dank ihrer eigenen Harmoniesucht. Damit jede Gruppe ihr Recht kriegt, dürfen alle mitreden und fordern, was sie schon immer für forderungswürdig hielten. So gibt es zahlreiche Aufruftexte und noch mehr verschiedene Ziele. Manche wollen überhaupt keinen Kampf gegen den Terror, manche wollen Schröder unterstützen, andere würden am liebsten gleich sämtliche Flughäfen der Amerikaner konfiszieren. Einig ist man nur „gegen den Krieg“. Damit kann die Regierung leben. Die ernst zu nehmenden Forderungen, auf die sie sich einlassen müsste, gehen im diffusen Wust des Kleingedruckten unter. LUKAS WALLRAFF