Wo Wahrheit draufsteht...

Es war abzusehen, dass die Wahrheit sich nicht so leicht erschließen lassen würde, wie es der menschliche Simplifizierungsdrang gerne hätte. Truth, eine inszenierte Textcollage über die kongolesische Kolonialgeschichte sowie die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission, war am Wochenende im Rahmen des Festivals Politik im Freien Theater zu sehen. Die Inszenierung spielte geschickt mit den Zuschauern und ließ sie am Ende elegant und wirkungsvoll auflaufen.

Die Einstimmung – einen auf Super-8 getrimmten Videofilm über die Fahrt auf dem reißenden Kongo aus Joseph Conrads Im Herz der Finsternis – nahmen die Zuschauer in etwas unruhiger Haltung, teils stehend, auf. Im nächsten Schritt vermittelten die Regisseure Hans-Werner Kroesinger und Rob Moonen jeweils einer Hälfte des Publikums einen exklusiven Ausschnitt aus der Geschichte: Die einen sehen den belgischen König Leopold II. (Uwe Schmieder) vor einer Spiegelwand defilieren. Seine Selbstherrlichkeit ist gedämpft; seine Stimme weich und zu leise, wie die eines Geistes. Die andere Hälfte lauscht dem kritischen „Congo-Report“ von Roger Casement (Neal Wach).

Scheinbar endlos verlaufen dann die Verhandlungen der südafrikanischen Wahrheitskommission, denen das Publikum geschlossen beiwohnt. Zahllose nichts sagende Erklärungen werden abgelesen, auf Unterlagen verwiesen. Und bei den entscheidenden Fragen öffnen sich Erinnerungslücken.

Kühl und akurat stellen Schmieder und Wach die Dialoge nach. Der Wahrheit kommen sie nur minimal näher. Stattdessen machen die Regisseure den langen, manchmal unerträglichen und hilflosen Prozess der Wahrheitssuche spürbar, verwandeln ihn auf effektive Weise in Lebenszeit der Zuschauer – bis die ersten gehen. Christian T. Schön