die nacht der langen weinmesser von RALF SOTSCHECK UND MARK OBERT
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Vorigen Montag war an dieser Stelle die Rede von den Gauloises-Werbedamen, die uns im „Horizont“ in Frankfurt nach einem misslungenen Ratespiel Trostpreise in Form von Labyrinth-Kugelschreibern überreichten und uns damit den Abend verdarben, weil wir mit dem tückischen Objekt hoffnungslos überfordert waren.

Am Nachbartisch konnte ein offenbar frankophiler Trinker die fünf Fragen nach französischen Absonderlichkeiten richtig beantworten und erhielt einen attraktiven Preis: ein Weinmesser mit zehn Zentimeter langer, scharfer Klinge, geeignet für Magnumflaschen, Brotlaibe, Hartkäse und – dank stahlharter Spitze – auch zum Bierdeckelaufspießen, wie der glückliche Gewinner hoch erfreut nach allen Seiten demonstrierte, während die Gauloise-Damen längst auf dem Weg in eine berüchtigte Frankfurter Diskothek waren.

Dies jedenfalls lässt die unglaubliche Geschichte vermuten, die zwei Tage darauf in der Stadt die Runde machte. In diesem Tanzclub nämlich, vor dem kräftige Türsteher jeden Besucher aus gutem Grund sorgfältig nach Waffen durchsuchen, lag die Tanzfläche bald verlassen da, weil junge Männer statt an ihren jungen Frauen an Kugelschreibern herumfummelten. Diese Chance nutzend, machten sich die Buben einer feindlichen Clique an die vernachlässigten Frauen heran, freilich nicht ohne deren Begleiter zu verspotten, sie seien ja sogar zu blöd, Kugelschreiber zusammenzubauen.

Im Nu war die Stimmung mies, ein Wort gab das andere, und schon gingen vier Streithähne aufeinander los. Es dauerte nicht lange, da vermöbelte sich die halbe Gästeschaft. Weil dies nicht selten geschieht, blieben die erfahrenen Türsteher und Rausschmeißer zunächst gelassen – im sicheren Glauben, die jungen Kämpfer könnten unmöglich Waffen bei sich tragen. Ein folgenschwerer Irrtum. Denn schon blitzte eine Klinge im zuckenden Licht der Diskokugel. Und dann noch eine. Plötzlich hielt die Hälfte der männlichen Gäste Messer in den Händen.

Die Türsteher beteuerten später, sie hätten bis auf eine Gruppe hübscher Mädchen in blauen Blousonjacken alle Gäste intensiv durchsucht. So stand die Polizei anfangs vor einem Rätsel und vor zwölf Opfern mit Stichwunden sowie blauem Gekrackel auf Oberarmen und Hemden. Licht ins Dunkel brachten erst die 24 Weinmesser und 18 Labyrinth-Kugelschreiber mit dem Aufdruck „Gauloises“, die die flüchtigen Täter zurückgelassen hatten. Erste Vernehmungen der Opfer ergaben, dass ein Gast im „Horizont“ die Antworten auf die fünf Quizfragen aufgeschnappt und das Gauloises-Team auf dem Weg in die Diskothek überholt hatte. Dort verbreitete sich die Quizlösung unter den Mitgliedern seiner Clique wie ein Lauffeuer. So kam die eine Bande zu ihren Messern, die andere nur zu den Labyrinth-Kugelschreibern. Als die Stecherei begann, waren die Gauloises-Damen bereits unterwegs ins Frankfurter Rotlichtviertel.

Es heißt, der Polizei sei es gelungen, ihren Weg anhand der Blutspur, die sie durch die hessische Metropole zogen, lückenlos zu rekonstruieren.