Das System Huub

Hertha BSC muss sich gegen die ähnlich defensiv orientierten Leverkusener mit einem 1:1 begnügen

BERLIN taz ■ „Natürlich sind wir enttäuscht“, sagte Dieter Hoeneß, brachte es aber nicht recht fertig, auch das zu diesen Worten passende Gesicht aufzusetzen. Er sah, im Gegenteil, recht zufrieden aus, der Manager von Hertha BSC, was gar nicht selbstverständlich ist, wenn eine selbsternannte Spitzenmannschaft im eigenen Stadion gegen einen Tabellenzwölften nur 1:1 gespielt hat. Da jener Tabellenzwölfte jedoch zufälligerweise Bayer Leverkusen heißt und diese Position nicht nur nach Einschätzung von Hoeneß einigermaßen widerrechtlich einnimmt, konnten die Berliner mit dem Resultat leben. Zumal es auch schlimmer hätte kommen können. Leverkusen lieferte eines seiner besten Spiele der jüngeren Zeit und hatte in der zweiten Halbzeit genug Chancen, um nach Juans Gewaltschuss-Ausgleich in der 55. Minute auch noch den Siegtreffer zu erzielen. „Wir hätten hier eigentlich drei Punkte mitnehmen können“, sagte Torhüter Jörg Butt und sah dabei in der Tat so enttäuscht aus, wie es seine Worte ahnen ließen.

Dieter Hoeneß bemängelte zwar „fehlende taktische Cleverness“ bei seinem Team, das eine 1:0-Führung nicht dazu nutzen konnte, „so ein Spiel locker nach Hause zu fahren“, ist aber offenkundig angetan von der Entwicklung der Mannschaft. Vergessen der miserable Start in die Saison, vergessen auch das anfängliche Infragestellen des neuen Coaches Huub Stevens durch Medien und Publikum. Hertha ist nicht nur in der Tabelle ungefähr dort angekommen, wo man hin möchte. „Bayern und Dortmund spielen um die Meisterschaft, wir mit Leverkusen und vielleicht Bremen um die Plätze drei bis fünf“, legt sich Hoeneß fest. Genauso mutig beziffert er den Stand des erreichten Leistungsvermögens: „80 Prozent“. Und der Trend, so der Manager, „geht nach wie vor nach oben“.

Überflüssig, extra zu betonen, wem der positive Trend zu verdanken ist, denn das wird auf dem Spielfeld mehr als deutlich. Hertha spielt inzwischen lupenreinen Huub-Stevens-Fußball. Massiv in der Defensive, Ballsicherung als oberstes Gebot, betulicher Spielaufbau. Wenig verwunderlich, dass Stevens die leichte Leverkusener Dominanz nach der Pause darauf zurückführte, dass seine Mannschaft zu ungeduldig, zu schnell nach vorn gespielt habe. Fulminanter Angriffsfußball ist im Huub-System nicht vorgesehen. Wenn hinten alles in Butter ist, so die Theorie, klappt es früher oder später auch vorn, wo man vor allem auf die Geistesblitze von Marcelinho hofft und auf Standardsituationen – wie jenen Eckball, nach dem Arne Friedrich das 1:0 köpfte (21.).

Da auch Bayer Leverkusen derzeit eine Art Huub-Stevens-Methodik pflegt, war es beileibe kein packendes Match, das sich in der tristen Baustelle Olympiastadion vollzog. Der berauschende Kombinationsfußball, mit dem das Toppmöller-Team letzte Saison Europa bezauberte, ist mit Ballack und Zé Roberto gen München gezogen – ohne allerdings dort anzukommen.

In Leverkusen wird Fußball wieder gearbeitet, was sich auch an den Worten des zufriedenen Coaches ablesen ließ. „In der Mitte“ habe man gut gestanden, meinte Toppmöller, und kaum Torchancen zugelassen, bis auf die „Scheißeckbälle“. Für das entscheidende Champions-League-Match am Dienstag gegen Olympiakos Piräus schöpft er seine Hoffnung jedenfalls vor allem aus zwei Eigenschaften, die gegen Hertha hervorgestochen seien: „Laufbereitschaft und Engagement.“

Besonders gefallen hatte ihm in dieser Hinsicht der eingewechselte Dimitar Berbatow, der ansonsten wieder seinem Ruf als Chancentod alle Ehre machte. „Gut gearbeitet“ habe der Bulgare, weshalb ihm Toppmöller einen Einsatz von Anbeginn gegen Piräus versprach. Wohl anstelle des Brasilianers França, der sich ebenso glücklos mühte wie auf der anderen Seite sein 20 Minuten vor Schluss eingewechselter Landsmann Luizão. Die Südamerikaner bräuchten halt Zeit, wusste Bayer-Manager Reiner Calmund, anerkannter Fachmann allen Brasilianertums, zu berichten und machte vor allem den Berlinern Hoffnung: „Luizão, datt is ein Typ wie Kirsten. Der explodiert noch.“ Vorausgesetzt, dass Huub Stevens derartige Auswüchse der Pyrotechnik zulässt. MATTI LIESKE