STEUERN: „TRIAL AND ERROR“ ERSETZT KEINE KONZEPTE
: Experimentelle Politik

So ist das also: In Koalitionsgesprächen herrscht nicht wirklich eine Atmosphäre des klugen Räsonierens. Das hatte man sich fast schon gedacht. Von Anfang an drangen zu viele Unsinnigkeiten aus den Unterredungen von Grünen und SPD. Zum Beispiel diese Schnapsidee: Unternehmen sollte es künftig verboten sein, ihre Spenden für kulturelle Zwecke von der Steuer abzusetzen. „Hans Eichel und ich haben über diese Frage [noch mal] ernsthaft nachgedacht“, gestand Gerhard Schröder nun ein. Koalitionsverhandlungen, so meint also selbst der Kanzler, sind unernst und experimentell.

Was die Ernsthaftigkeit von Koalitionsgesprächen betrifft, mag das, wie gesagt, keine Überraschung sein. Was aber den Grips der Regierenden angeht, kann es einen denn doch nervös machen. In der Steuerpolitik ist Trial and Error nämlich die denkbar schlechteste Handlungsmaxime. Sie verschreckt alle Regierten gleich, Freunde wie Feinde.

Bei Steuerfragen geht es ja nicht allein ums Geld, sondern um starke Interessen und, was für die gesellschaftliche Akzeptanz wichtig ist, um Gerechtigkeit. Klar, niemand zahlt etwa die Ökosteuer mit Vergnügen. Dennoch hat diese Steuer nicht nur erbitterte, lobbyistisch motivierte Gegner. Sie hat gerade deshalb Anhänger, weil die Regierung wirtschaftlich sinnvoll umsteuert, indem sie Energie teurer und Arbeit billiger macht. Wenn Rot-Grün nun die in der Koalition endlich vereinbarte Einbeziehung von Energieschleudern in die Steuer wieder zurückzieht und gleichzeitig das umweltfreundliche Gas stärker besteuert, dann ist das nichts anderes als „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ – und macht aus Sympathisanten der Ökosteuer erbitterte Gegner.

Nicht anders verhält es sich mit den Kulturspenden. Rot-Grün hat 1999 mit einem Stiftungsrecht, das gesellschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Engagement steuerlich begünstigt, einen einsichtigen Reformweg eingeschlagen. Für sinnvolle Projekt wird so auf freiwillige Art Kapital mobilisiert. Diese Idee nun durch die Diskriminierung von Spenden zu konterkarieren, ruft den Eindruck eines sinnlosen Zickzackkurses hervor. Und wirft beim Publikum eine ganz prinzipielle, für eine Regierung verheerende Frage auf: Handelt Rot-Grün eigentlich vernunftgesteuert?

Die Regierungskoalition ist durch die Weltkonjunktur und durch die Historie, in der sie agieren muss, zu schwierigsten Abwägungen gezwungen. Da hat der Kanzler Recht. Aber wenn sie nicht aufhört mit selbst verschuldetem Trial and Error, dann wird den Wählern die Antwort auf die Vernunftfrage nicht schwer fallen. CHRISTIAN FÜLLER