Kopftuchstreit in Bremen

Schulbehörde verweigert einer Kopftuchträgerin das Schulpraktikum in einer Grundschule. Die Bundesintegrationsbeauftragte Marielusie Beck (Grüne) setzt sich für die gläubige Muslima ein

Auf den ersten Blick scheint es, als hätte der „Kopftuchstreit“ um Fereshta Ludin nun eine Bremer Auflage: Eine Lehramtsstudentin im dritten Semester darf das vorgeschriebene Schulpraktikum in Bremerhaven nicht antreten – es sei denn, die gläubige Muslima setzte das Kopftuch im Klassenzimmer ab. Das jedenfalls ist die Haltung der betroffenen „Amerikanischen Schule“ in Bremerhaven, die der Bremer Bildungssenator Willi Lemke (SPD) in einer vorläufigen Stellungnahme deckt.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesrepublik, die grüne Bremer Bundestagsabeordnete Marieluise Beck, bezieht die Gegenposition: Die Frage eines ausbildungsbedingten Praktikums sei rechtlich völlig anders zu bewerten als die einer Lehrerin wie Ludin, die ihre Anstellung im öffentlichen Schuldienst als Beamtin auf Probe erstreiten wolle.

Wie der Bremer Konflikt ausgeht, ist noch offen. Denn schon jetzt verweist Bildungssenator Willi Lemke (SPD) darauf, im Bremerhavener Fall nur vorläufig Position zu beziehen. Solange jedoch betont er: Wenn Erwachsene in Vorbildfunktion ein religiöses Symbol tragen, beeinfflussten sie die SchülerInnen direkt oder indirekt. Dabei sei es egal, ob es sich um eine Praktikantin oder Lehrerin handele und auch, ob dies „in missionarischer Absicht“ geschehe. Er sehe den Staat gehalten, gemäß des Ludin-Urteils vom Bundesverwaltungsgericht vom Juli 2002, dem Entstehen einer Konfliktlage vorzubeugen. Deutlich sagt Lemke: „In diesem Zusammenhang halte ich es für nicht hinnehmbar, dass in den Schulen Konfliktfelder aufgebaut werden, die dadurch entstehen, dass hier tätige Personen auf das Tragen von religiösen Symbolen nicht verzichten.“ Seine endgültige Haltung werde aber von einem Urteil des Verfassungsgerichts sowie von der Diskussion in den Gremien der Kultusministerkonferenz abhängen.

Das kann dauern. Klar ist bislang also nur: Die strenggläubige Tochter eingewanderter Eltern – die aus Furcht vor Nachteilen namentlich ungenannt bleiben möchte –, ist der erste „Kopftuchfall“ in Bremen. Der erste jedenfalls, in dem eine Frau es nicht schweigend hinnimmt, aus der Öffentlichkeit oder dem Klassenzimmer verbannt zu werden, ohne dass es dazu eine rechtlich verbindliche Begründung gibt. Doch darauf wird die Bremerhavener Schulpraktikantin auch nach der Intervention der Bundesausländerbeauftragten noch warten müssen – während zehn weitere Muslima im Land Bremen bereits ihr Referendariat absolvieren. Alle ohne Anstoß – weil ohne Kopftuch.

Auf Provokation wollte auch die junge Lehramtsstudentin aus Bremerhaven gerne verzichten. Deshalb hat sie im Sommer die Praktikumsstelle in der Amerikanischen Schule stillschweigend gar nicht erst angetreten – und seither lange geschwiegen. Obwohl sie auf einschlägige Erfahrungen zurückblickt: Auch bei einem früheren Praktikum an einer anderen Bremerhavener Grundschule hatte es im Kollegium Debatten gegeben. Die Folge: Nur der Schulleiter und einzelne Lehrer nahmen die Studentin mit in den Unterricht. Seit Lemkes Stellungnahme gegenüber der Bundesintegrationsbeauftragten sieht sich die junge Frau nun auch offiziell ausgegrenzt. Zu Unrecht, wie Marieluise Beck betont: Die Studentin vom Praktikum auszuschließen mache ihr das Examen unmöglich. Dies verstoße gegen Artikel 12 der Verfassung, der jeder Deutschen – und die Betroffene hat einen deutschen Pass – die Ausbildungsfreiheit garantiere. Dies sei nicht nur unzulässig, zumal der Staat im Lehramt das Monopol habe. Es sei offenbar auch überflüssig, wie Nordrhein-Westfalen zeige: Dort wurden Frauen mit Kopftuch bisher ausgebildet und eingestellt. ede