berliner szenen Mfg-Probleme

Die neue Dankbarkeit

Ein günstiger Treffpunkt für Reisen mit der Mitfahrzentrale ist der Parkplatz vor dem Forum Hotel am Alexanderplatz. Hektisch suchen hier Fahrer ihre Mitfahrer: Ob man derjenige sei, der nach Pasewalk möchte, wird man gefragt. Nein, zum Glück ist man das nicht. Auch Würzburg ist die falsche Richtung. Finden sich dann der richtige Fahrer und die richtigen Mitfahrer, kann es losgehen. Wildfremde Menschen bilden für einige Stunden eine Fahrgemeinschaft und werden auf engstem Raum zur Kommunikation gezwungen. Eine Frage steht dabei immer am Anfang: Was macht ihr eigentlich so? Der Fahrer hat sie zu stellen und die Mitfahrer haben sie zu beantworten.

Die junge Frau auf dem Rücksitz fühlt sich als Erste angesprochen. Sie beginnt von ihrem Studium zu schwärmen. Internationale Kulturmanagerin will sie einmal werden. Neben ihr sitzt ein müde wirkender Mann im Rasta-Outfit. Er sieht aus, als ob er lieber schlafen würde anstatt in Erfahrung zu bringen, was man denn als internationale Kulturmanagerin so alles machen könnte. Höflich fragt er trotzdem. „Das weiß ich auch nicht so genau“, antwortet sie. „Hauptsache, erst einmal in das Ausland gehen und dort vielleicht ein Museum leiten.“ Mit einem interessierten „Aha“ gibt sich der junge Mann zufrieden. Die erste Vorstellung ist beendet. Es gibt keine weiteren Nachfragen.

„Und bei dir?“, fragt sie nach einer kurzen Pause. „Zweites Semester Soziologie“, antwortet er schnell und ergänzt: „war aber noch nicht so oft da.“ Für ihn ist das Gespräch beendet. Bevor man selbst gefragt wird, zieht der Fahrer zum Glück ein Tape aus dem Handschuhfach. Mit Motorhead in mörderischer Lautstärke geht es auf die Autobahn. Danke.

ROBERT HODONYI