Kampf ums Kapitol

In einer Woche wählen die US-Amerikaner große Teile des Kongresses neu und entscheiden dabei auch, ob Präsident Bush weiter gegen eine knappe demokratische Mehrheit im Senat regieren muss

aus Washington BERND PICKERT

Heute in einer Woche wird in den USA gewählt – und die Entscheidung darüber, wer nach diesen „Midterm elections“ nach der Hälfte der Präsidentenamtszeit den mächtigen Kongress kontrolliert, könnte ähnlich eng ausfallen wie die Präsdentschaftswahl vor zwei Jahren.

Es steht viel auf dem Spiel. Wie jede zwei Jahre werden alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses neu gewählt, dazu ein Drittel der 100 Senatoren und 36 der 50 Gouverneure. Noch dazu werden die Wähler in einer Unzahl von Referenden in den Bundesstaaten um ihre Meinung gefragt, nicht zu vergessen hunderte von Wahlen zu Bürgermeisterposten, Stadträten und Bundesstaatsparlamenten. Von bundespolitisch entscheidender Bedeutung sind dabei nur die Kongresswahlen. Zwar stimmen die Senatoren und Abgeordneten durchaus nicht immer im Block ab und Fraktionszwang ist unbekannt. Aber die Parteimehrheit entscheidet, wer in den beiden Kammern des Parlaments den Vorsitz übernimmt, und das ist ausschlaggebend dafür, ob der jeweilige Präsident mit Verve und schnellem Rhythmus seine Agenda umsetzen kann oder stets damit rechnen muss, dass seine Vorschläge mit längeren Blockaden versehen oder gar abgeschmettert werden. Dazu kommen Ernennungen etwa von mehreren Dutzend Bundesrichtern, die Präsident George W. Bush mit erzkonservativen Kandidaten besetzen will. Der Kongress muss dem zustimmen, dazu braucht Bush die Mehrheiten.

Derzeit regiert Bush gegen den Senat, in dem die Demokraten die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme halten – und auch das nur, weil schon nach wenigen Monaten Bush-Regierung ein moderater republikanischer Senator die Partei verließ und seither als Unabhängiger mit den Demokraten stimmt. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner derzeit eine Mehrheit von 222 gegenüber 209 Stimmen.

Da wie immer in den USA auf der Ebene der Bundesstaaten gewählt wird, machen nationale Meinungsumfragen keinen Sinn. So müssen sich die Demoskopen den einzelnen Wahlkämpfen zuwenden und herausfinden, wer dort jeweils klar die Nase vorn hat oder wo es eng wird.

Die meisten Analysen gehen davon aus, dass es den Republikanern gelingen wird, eine leichte Mehrheit im Repräsentantenhaus zu behalten. Hier gilt noch in 40 Fällen der Ausgang als offen – allerdings haben die Republikaner bereits zehn Sitze mehr sicher als die Demokraten.

Anders die Senatswahlen. Hier gelten mindestens acht Wahlausgänge als völlig offen, und die Demokraten bangen, ob sie die knappe Mehrheit halten können. In Minnesota galt schon die Wiederwahl des linken Paul Wellstone als unsicher – wie die Wahl nach dessen Tod und der voraussichtlichen Kandidatur des ehemaligen Vizepräsidenten Walter Mondale ausgeht, weiß niemand zu sagen.

In New Jersey stand mit Robert Torricelli eigentlich ein sicher geglaubter Demokrat zur Wiederwahl – bis der sich vor ein paar Wochen wegen eines Finanzskandals zurückzog. Nur mit Mühe erstritten die Demokraten vor Gericht, dass sie überhaupt noch einen neuen Kandidaten benennen durften. Der frühere Senator Frank R. Lautenberg liegt in den Umfragen gegen seinen republikanischen Konkurrenten Doug Forrester nicht schlecht, es bleibt jedoch eine Zitterpartie, genau wie die Wiederwahl Jean Carnahans in Missouri und Tim Johnsons in South Dakota.

Die Demokraten hatten darauf gehofft, nach Abschluss der Irakdebatte im Kongress mit innenpolitischen Fragestellungen punkten zu können – immerhin beschreiben die meisten Wähler die wirtschaftliche Situation, die Gesundheitsversorgung und die Bildung als ihre größten Sorgen. Doch Präsident Bush ist in den letzten Wochen wieder mit innenpolitischen Themen in Erscheinung getreten – und hat so versucht, den Demokraten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Sicher ist, dass die Konstitutierung des neuen Senats von politischen Nachrufen begleitet sein wird. In North Carolina etwa will Elizabeth Dole, die Ehefrau des früheren Präsidentschaftskandidaten Bob Dole, der 1996 klar gegen Bill Clinton verlor, für die Republikaner den Sitz von Jesse Helms übernehmen. Der erzkonservative Greis, der als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Senats jahrelang Schaden anrichten durfte, hat sich nicht wieder zur Wahl gestellt, genausowenig wie der Republikaner Strom Thurmond aus South Carolina, Senator seit 1954. Thurmond tritt nicht mehr an. Seinen 100. Geburtstag am 5. Dezember aber will er noch als Senator erleben – der neue Senat konstituiert sich erst im Januar.