An 0,26 Prozent hängt Israels Koalition

Die Arbeitspartei will gegen den Haushalt stimmen, Scharon droht mit dem Rausschmiss von Kabinettsmitgliedern

JERUSALEM taz ■ Die Entscheidung des Zentralrats der Arbeitspartei, gegen den geplanten Haushalt zu stimmen, lässt die Chancen für einen Kompromiss zwischen Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und seinem Koalitionspartner deutlich sinken. Morgen Nachmittag wird das Parlament aufgefordert, in erster Lesung über das Budget abzustimmen. „Wer dagegen votiert, kann nicht in der Regierung bleiben“, hatte Scharon bereits am Wochenende angekündigt. Sollten beide Seiten hart bleiben, würde der Premierminister vermutlich versuchen, Neuwahlen im Frühjahr abzuhalten und bis dahin eine Minderheitsregierung zu führen.

Kern des Konflikts sind ganze 0,26 Prozent des Haushalts, der für die jüdischen Siedlungen vorgesehen ist. Die umgerechnet insgesamt gut 140 Millionen Euro sollen, ginge es nach der Arbeitspartei, durch die Streichung von bisherigen Steuererleichterungen für die Siedler sowie von staatlichen Förderungen im Bereich Wohnungsbau, Erziehung und Stadtentwicklung eingespart werden. Dabei sei nicht von einer Benachteiligung der Siedler die Rede, sondern von sozialer Gerechtigkeit, da die gesamte Bevölkerung von den geplanten Kürzungen in Höhe von insgesamt knapp 2 Milliarden Euro betroffen ist. Mit den eingesparten Gelder sollten, so fordert die Arbeitspartei, Streichungen bei den staatlichen Zuwendungen für Rentner und alleinerziehende Mütter abgemildert werden. Finanzminister Silwan Schalom gab sich am Montag hart: „Ich habe nicht vor, den Haushalt neu zu diskutieren.“ Ohne die Arbeitspartei blieben der Koalition nur 55 der 120 Parlamentssitze. Ein Sicherheitsnetz für die Regierung könnte von der rechtsnationalen Echud Haleumi (Nationale Einheit) kommen, die sieben Mandate hält. Die Echud Haleumi knüpft ihr Ja zum Haushalt indes an die Bedingung, dass die Regierung den jüngsten US-amerikanischen „Wegeplan“ zu einer Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit den Palästinensern ablehnt. Der „Wegeplan“ sieht unter anderem die komplette Einstellung des Neu- und Ausbaus jüdischer Siedlungen sowie langfristig die Gründung eines Palästinenserstaates vor. Eine Alternative wäre für Scharon die antireligiöse Partei Schinui (Veränderung) mit sechs Mandaten, die Haushaltsveränderungen vor allem mit Blick auf die Zuwendungen für ultraorthodoxe Institutionen fordern wird.

Aus Protest gegen die israelische Entscheidung, 13 Parlamentarier aus dem Gaza-Streifen nicht anreisen zu lassen, wurde die für gestern in Ramallah geplante Vorstellung der neuen palästinensischen Regierung verschoben. Palästinenserchef Jassir Arafat hofft offenbar darauf, dass die USA Israel zu einer Reisegenehmigung für die betroffenen Parlamentarier bewegen werden, um heute die offizielle Abstimmung über das Kabinett vorzunehmen. Die Abgeordneten seiner Fatah, die eine Mehrheit in dem 88 Sitze umfassenden Parlament stellen, sagten Arafat bereits ihre Zustimmung zu, nachdem er den parteiunabhängigen Innenminister Abdel Rasak Jehije durch einen Mann aus der eigenen Fraktion ersetzte. SUSANNE KNAUL