Putin droht mit Vergeltung

Russlands Präsident lehnt nach Moskauer Geiseldrama Verhandlungen mit Tschetschenien kategorisch ab. Behörden verweigern weiter Angaben zum Kampfstoff bei der Befreiungsaktion

MOSKAU rtr/dpa/taz ■ Am Tag der Staatstrauer in Russland um die Opfer des Geiseldramas von Moskau hat Präsident Wladimir Putin ein massives Vorgehen gegen den Terrorismus angedroht. Russland werde terroristische Bedrohungen mit Massenvernichtungswaffen mit gleichen Mitteln zurückschlagen an allen Orten, an denen sich Terroristen, ihre Organisationen, ihre ideellen oder finanziellen Drahtzieher befinden, sagte Putin gestern auf einer Sitzung der Regierung. Entsprechend werde er die Streitkräfte anweisen. Überdies lehnte er Verhandlungen mit den tschetschenischen Separatisten kategorisch ab. „Russland wird sich auf keinerlei Abkommen mit Terroristen einlassen und wird sich keiner Erpressung beugen“, sagte Putin.

Gestern standen noch etwa 400 der 700 befreiten Geiseln in Krankenhäusern unter ärztlicher Aufsicht. Das erklärte die Vizeregierungschefin Walentina Matwijenko. 45 der Opfer schwebten immer noch in Lebensgefahr. Die Stadt Moskau kündigte Hilfszahlungen an die Familien von 100.000 Rubel (3.225 Euro) für eine getötete und 50.000 für eine verletzte Geisel an.

Die russischen Behörden machten auch gestern keine Angaben zu der Art des bei der Befreiungsaktion eingesetzten Gases. Es seien besondere Mittel eingesetzt worden, hieß es lediglich. Experten bezweifelten, dass es sich um ein Narkosegas gehandelt haben könnte. Dr. Peter Hutton von der britischen Anästhesievereinigung sagte, er kenne kein Narkosegas, das in der in Moskau eingesetzten Art und Weise wirke. „Es handelt sich mit Sicherheit um etwas, das nur vom Militär entwickelt, besessen und angewendet werden kann“, sagte der Mediziner. Der Münchener Toxikologe Thomas Zilker sagte, vermutlich sei das Gas eine Geheimentwicklung Russlands. Seiner Ansicht nach handelt es sich aber vermutlich um ein Narkosegas, möglicherweise eine Abwandlung von Chloroform. Die Verwendung von Kampfgas sei ausgeschlossen.

Unterdessen sagte Putin aus Verärgerung über einen Tschetschenen-Kongress in Dänemark seinen für November geplanten Besuch in dem skandinavischen Land ab. Ein Besuch in Kopenhagen sei „nicht möglich“, teilte das russische Außenministerium mit. Zuvor hatte Russland vergeblich von der dänischen Führung verlangt, den gestern begonnenen „Tschetschenischen Weltkongress“ zu verbieten, und die dänische Regierung beschuldigt, sich zu Helfershelfern von Terroristen zu machen. Demgegenüber verteidigte Dänemarks Außenminister Per Stig Moeller die Entscheidung, das Tschetschenen-Treffen stattfinden zu lassen. Seine Regierung trete für freie Meinungsäußerung ein. Um eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zu vermeiden, verlegte Dänemark ein für den 11. November ebenfalls in Kopenhagen geplantes Gipfeltreffen der Europäischen Union (EU) und Russlands jedoch nach Brüssel. Putin hatte wegen des Exilantentreffens gedroht, nicht zum Gipfeltreffen zu reisen.

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