„Wechselstimmung gibt es nicht“

Ole von Beust (CDU) im taz-Interview über ein Jahr als Chef von Schwarz-Schill. Der Bürgermeister stellt sich vor seine Koalitionspartner Lange und Schill und glaubt, dass seine Gegner nur „alte Feindbilder“ pflegen

Niemand kann sagen, dass Schill ein schlechter Innensenator ist Wenn jemand gegen Kürzungen auf die Barrikaden geht, ist das nachvollziehbar

Interview: PETER AHRENSund SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Bei der Bundestagswahl am 22. September haben die HamburgerInnen Ihnen und Ihrem Senat das Misstrauen ausgesprochen. Stehen Sie vor den Trümmern Ihrer Politik?

Ole von Beust: Nein, das war eine bundesweite Wahl, bei der es um Schröder oder Stoiber ging, das hat keine Aussagekraft für ein einzelnes Bundesland.

Die Rechtskoalition kam bei der Bundestagswahl zusammen auf knapp 40 Prozent, SPD und GAL zusammen auf etwa 58 Prozent. Nach einer aktuellen Umfrage aus der Vorwoche hätte der Senat auch bei Bürgerschaftswahlen keine Mehrheit mehr – und das ist für Sie alles kein Indiz für eine Wechselstimmung?

Nein, eine Wechselstimmung gibt es nicht. Im Übrigen kommentiere ich keine Umfragen. Was zählt, ist immer das Wahlergebnis.

Sie persönlich liegen in den Sympathiewerten weit vor allen anderen Senatsmitgliedern. Ist der Bürgermeister so gut, oder sind die anderen alle so schlecht?

Ein Bürgermeister hat immer einen gewissen Bonus, das hängt auch mit dem Bekanntheitsgrad zusammen. Wir arbeiten im Senat im Team, da haben alle ihren Anteil an den Lorbeeren.

Dann würden Sie vermutlich unsere These nicht teilen, dass Sie bei der Senatsbildung strategische Fehler gemacht haben ...

Hab ich?

Die drei Symbolressorts aus dem Wahlkampf – Sicherheit, Bildung und Verkehr – wurden mit Amateuren besetzt, die sich als Versager entpuppten.

Das sehe ich nicht so.

Verkehrssenator Mettbach hat noch nichts gewuppt, Bildungssenator Lange haufenweise Porzellan zerschlagen, und Innensenator Schill ist eben Schill ...

Was einzelne Posten angeht, gab es klare Vorstellungen der Koalitionspartner, das ist ein Geben und Nehmen. Dass Herr Schill die Innenbehörde haben wollte und Herr Lange für die FDP das Bildungsressort, war ja kein Geheimnis. Und ansonsten nochmal: Die Leistung des Senats ist eine Teamleistung, wir entscheiden gemeinsam und tragen gemeinsam die Verantwortung.

Bei Senator Lange ist eigentlich nur über Fehler zu berichten.

Herr Lange leitet das Ressort, in dem in kurzer Zeit am meisten verändert wurde. Vielleicht wurde da schon mal ein zu hohes Tempo eingeschlagen, das mag sein. Und zugleich hat man es im Bildungsbereich mit sehr starken Gruppen zu tun. Lehrer, Kammern oder Gewerkschaften sind engagiert und wortmächtig.

Mit welchen anderen Ressortchefs sind Sie denn noch unzufrieden?

Dann sage ich es Ihnen eben nochmal: Es gibt Senatsbeschlüsse, hinter denen der gesamte Senat steht. Es gibt keine, von denen jemand hinterher sagt, dass hat der oder die falsch gemacht, aber nicht ich.

Keine Fehler macht aus Ihrer Sicht offenbar Finanzsenator Peiner. Er ist der Mann im Senat, auf den Sie sich vorbehaltlos stützen.

Er ist ein starker Finanzsenator, der auch Kämpfe durchsteht. Das muss auch so sein in diesem Querschnittressort. Wir sprechen viel miteinander ab. Ich bin in der Tat heilfroh, diesen kompetenten Mann, der nach dem Bürgermeister die wichtigste Rolle innehat, an meiner Seite zu haben.

Zu einem anderen Senator: Wenn Herr Schill in der CDU wäre, hätten Sie ihn doch längst entlassen.

Nein. Dass Schill jemand ist, der polarisiert, das weiß er auch selbst. Aber wenn man sich das bisherige Ergebnis seiner Arbeit anguckt, kann niemand sagen, dass er ein schlechter Innensenator ist. Im Vorjahr war das Thema Innere Sicherheit ein Dreivierteljahr lang das beherrschende Thema in den Medien. Das ist es heute nicht mehr, und das ist auch ein Verdienst von Schill.

Es stört Sie also überhaupt nicht, dass Schill den Ruf der Stadt ruiniert und Sie wahrscheinlich immer auf ihn angesprochen werden, wenn es um die Reputation Hamburgs geht.

Das hat nachgelassen. Das war nur am Anfang so.

Und was ist mit der berüchtigten Bundestagsrede?

Auch danach nicht. Die hat in Hamburg für weit mehr Aufsehen gesorgt als anderswo. In internationalen Kreisen, in den ausländischen Konsulaten, hat das nicht so viel Verwirrung ausgelöst. Es kann natürlich sein, dass die so höflich sind und es mir nicht sagen.

Dann ist die Aufregung über das Verfassungsschutzgesetz also auch nur übertrieben?

Vor einem Jahr fragten alle, ob der Verfassungsschutz von den Anschlägen am 11. September nicht schon früher hätte wissen können. Die Anschläge wurden maßgeblich in Hamburg mitgeplant. Es ist eine Tatsache, dass der Senat Konsequenzen ziehen musste. Im Übrigen: In mehreren Bundesländern gibt es ein fast wortgleiches Gesetz, dort hat es keine Empörung ausgelöst.

Sie haben tagelang geschwiegen, während die Debatte um den Gesetzentwurf hochkochte. Ein typisches Beispiel für die Führungsschwäche des Bürgermeisters?

Die Debatte wurde zwischen den Koalitionsfraktionen geführt, die das Recht haben, sich mit Entwürfen des Senats auseinanderzusetzen. Im Übrigen war zu keiner Zeit strittig, dass einige kritische Punkte geändert werden könnten. Auch die zuständige Behörde war für überzeugende Änderungsvorschläge offen. Meine Beteiligung in dieser Diskussion war in dieser Phase überhaupt nicht nötig.

Im Fall des Schill-Abgeordneten Barth-Völkel im Sommer hörte man auch nichts von Ihnen.

Ich äußere mich nicht zu jeder Äußerung eines Abgeordneten der Regierungsfraktion. Außerdem ist das eine Zeit lang ein Thema für die Medien gewesen, und eine Woche später wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben.

Zählen Sie zu diesen von den Medien hochgepushten Themen auch den Protest gegen den sozialen Kahlschlag?

Nein. Wenn man mein Gehalt kürzt, würde ich auch sauer werden, Sie wahrscheinlich auch. Wenn jemand wegen Kürzungen auf die Barrikaden geht, ist das nachvollziehbar. Das kann aber für mich nicht heißen, dass ich auf eine vernünftige Sozialpolitik verzichte, nur weil ich dafür Ärger bekomme. Außerdem wird zum Beispiel in Berlin von einer SPD-PDS-Regierung zurzeit im Sozialbereich oder bei der Aids-Hilfe viel mehr gekürzt, und trotzdem redet dort keiner von sozial- oder schwulenfeindlicher Politik. Nur weil meine Regierung den Stempel rechts trägt, werden die alten Feindbilder hochgezogen.

Sie haben bei der Verkündung von Kürzungen zum Beispiel nach Jesteburg einen sehr kaltschnäuzigen Eindruck gemacht.

Das war sicher ein Fehler von mir, damals gesagt zu haben, „egal, was passiert, wir ziehen das durch“. Ich habe dazu gelernt.

Es gibt ja noch andere Felder, wo der Senat sehr ruppig vorgeht und ohne Not zündelt – Bauwagenplätze, Hornauer ...

Was die Bauwagen angeht, gibt es bislang keinen Fall, wo es, ohne dass alternative Angebote wahrgenommen wurden, zur Eskalation gekommen ist. Aber es ist in einer Großstadt eben nicht so, dass jeder auf die Idee kommen kann zu wohnen, wo er will. Und was Hornauer betrifft, bitte ich jeden, mit seinem Urteil zu warten, bis die Hintergründe so offen liegen, dass sie diskutierbar sind. Dann bin ich überzeugt, wird die öffentliche Meinung eine andere sein als heute.

Zum Schluss ein Thema, das Sie sicherlich lieber hören: Olympia. Ein Großteil Ihrer Stadtentwicklungspolitik stützt sich auf die Hamburger Bewerbung. Was machen Sie eigentlich, wenn es damit nicht klappt?

Zuerst einmal: Ich bin ziemlich sicher, dass es klappt. Wenn ich mich täuschen sollte, dann muss ich begründen, warum es nicht geklappt hat. Abgesehen davon hat das Thema bereits eine solche Eigendynamik bekommen, dass das auch unabhängig von der reinen Bewerbung läuft. Die Leichtathletikhalle wird zum Beispiel auch gebaut, wenn Hamburg nicht den Zuschlag erhielte.

Die Hansestadt wird Deutschlands Olympia-Bewerber, und Olaf Scholz fährt als nächster SPD-Bürgermeister ab 2005 die Ernte ein.

Ich denke doch nicht darüber nach, was in drei Jahren ist und wer dann gegen mich antritt.