Attraktivität und Trassen
: Wem soll die Stadt gehören?

Einmischen wird empfohlen

Hohn und Spott erntete Senatsbaudirektor Uwe Bodemann, als er am Montagabend von der Notwendigkeit sprach, die Stadt „für stadtbejahende Menschen zu entwickeln.“ Er war zu Gast bei den Grünen, die in der Bürgerschaft zum Thema „Menschliche Städte für städtische Menschen“ aufs Podium geladen hatten – es ging um Fragen künftiger Stadtentwicklungspolitik angesichts eines demografischen Wandels, der sich vor allem im Schrumpfen der Städte und in der Veränderung ihrer Sozialstruktur niederschlägt.

Wozu die Debatten?

Das höhnische Gelächter auf Bodemanns Statement kam von den zahlreich erschienenen Mitgliedern der Bürgerinitiative „Keine Stadtautobahn durch Bremen“. Denn der Senatsbaudirektor hatte für ein höheres architektonisches Niveau plädiert, am besten gleich beim Umbau des Rembertikreisels.

Worüber reden Experten und Politiker, so der Tenor der Kritik, wenn zugleich mit dem Ausbau der Schwachhauser Heerstraße eine Trasse geschaffen werde, die Verkehr anzieht und innerstädtische Quartiere abwertet?

Bodemann reagierte ausweichend und sprach von „Zielkonflikten“. Die baupolitische Sprecherin der Grünen, Karin Kru-sche, erklärte sich unterdessen mit der Bürgerinitiative solidarisch. Franziska Eichstädt-Bohlig, Bauexpertin der Grünen im Bundestag, befriedete den Lokalkonflikt an diesem Abend, „ohne den konkreten Fall zu kennen“, indem sie für ein waches und aktives Stadtbürgertum plädierte: „Es gilt, die Entwertung städtischen Lebens durch Verkehr offensiv zu themaitisieren.“

Ansonsten war sich das Podium in der Analyse des Bestehenden weitgehend einig: Die Kernstadt verliere an Bedeutung, der Speckgürtel erlange neues Selbstbewusstsein. Dem gegenüber stehe ein Trend der „neuen Nachfrage nach Innenstadt“.

Alle in die Stadt?

Hier empfahl der Oldenburger Stadtsoziologe Walter Siebel, nicht so sehr die Abwanderungswilligen zum Bleiben zu animieren – etwa durch die Erschließung von neuem Bauland an der Stadtgrenze –, sondern sich durch eine „soziale Stadtpolitik“ stärker auf die Lebensverhältnisse und Lebensstile derer einzulassen, die aus guten Gründen städtische Lebensformen bevorzugen. Und die entstammen vom Yuppie bis zum Migranten sehr heterogenen Gruppen, so dass stets auch eine „Verinselung“, eine Polarisierung der Sozialstruktur droht.

Franziska Eichstädt-Bohlig will die Kernstadt nicht den Singles und sozial Schwachen allein überlassen. Sie plädierte für ein neues Leitbild „Wohnen in der Stadt für alle“. Es gelte, städtisches Leben auch für die mittelständischen Familien, die es heute vor allem vor die Stadt zieht, attraktiv zu machen. Sie gestand aber ein, wie schwer die Bundespolitik sich tue, hier konkrete Maßnahmen einzuleiten. Stichworte: Grundsteuer als Steuerungsinstrument oder die Diskussion um Entfernungspauschale und Eigenheimzulage.

Eberhard Syring