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: Schillernder Proletenprinz

„Der Boxprinz“ (Mi., 23.15 Uhr, WDR)

Ein Schweigen machte ihn zur Legende. Sechs Fragen beantwortete Norbert Grupe ausschließlich mit einem etwas irren Lächeln. Dann bedankte er sich höflich: „Es war sehr aufschlussreich“, und verließ das „ZDF-Sportstudio“.

Das war 1969. 24 Stunden zuvor war Prinz Wilhelm von Homburg, wie der Profiboxer sich nannte, von Oscar Bonavena im Berliner Sportpalast fürchterlich verdroschen worden. Fünf Niederschläge musste er einstecken und für jeden ließ er seinen Interviewer eine Frage lang ins Leere laufen. „Es war das letzte Interview mit einem Berufssportler für Reiner Günzler, einen ganz dummen Journalisten und Taschendieb“, erinnert sich Grupe. „Ich hab ihn reingelockt in seinen Untergang“ – darauf ist er heute ebenso stolz wie auf seine nerzbestickten Boxershorts.

Für sein beeindruckendes Filmporträt „Der Boxprinz“ hat Gerd Kroske den einstigen Bürgerschreck dreißig Jahre später in den USA aufgesucht. Ohne Wehmut und beinahe sympathisch verzählt das Hamburger Multitalent von seinen Handlangerjobs. Oder nuschelt von seiner tristen Hochzeitsnacht: „Ich hab meine Frau nicht angefasst, drei Tage vor einem Kampf.“ Doch er stand seinem Ehrgeiz und boxerischen Talent immer selbst im Weg. Halb wildes Tier, halb Popstar. Ein Rocky Effenberg, seiner Zeit weit voraus. Der durchgeknallte Selbstdarsteller suchte Exzesse wie andere Boxer den Knock-out. Den Ring betrat er mit brennender Zigarette, und noch vor dem ersten Gong wurden die Zuschauer bespuckt. „Damit ich Hitze bekomme.“

Wie die Faust aufs blaue Auge passte der Tiefschläger zum St.-Pauli-Milieu, auf dem Kiez stieg er schneller auf als in der Weltrangliste und sammelte mehr Anklagen als Meistertitel: Körperverletzung, Schutzgelderpressung, Organisierte Kriminalität. Das reichte für fünf Jahre Knast und sorgt bei Luden und Rockern, Polizisten und Gerichtsdienern für sentimental verklärte Erinnerungen: „Alles lustig und ganz toll.“

Ach ja, heute lebt Norbert Grupe als Schauspieler in Kalifornien. Dreht Filme wie „Ghostbusters“ und „Die Hard“. Wie das? Einschalten! ALF IHLE