Brabbeln in der Bürgerschaft

Die drei Senatsparteien wollten lieber über den Koalitionsvertrag wettern, als über das Verfassungsschutzgesetz oder die eigene Regierungsbilanz zu diskutieren

Jeder darf mal ran. Alle drei Senatsparteien hatten sich gestern in der Bürgerschaft verabredet, zur Aktuellen Stunde dasselbe Thema anzumelden: Die Auswirkungen des rot-grünen Wahlsieges im Bund. Mit dem Resultat, dass so viele RednerInnen von CDU, Schill und FDP in die Bütt geschickt wurden, dass die von SPD und GAL angemeldeten Themen dem vorgegebenen Zeitplan zum Opfer fielen.

So ersparte sich der Rechtssenat sowohl die Bilanz seiner einjährigen Regierung als auch die Debatte um das Verfassungsschutzgesetz, wie SozialdemokratInnen und Grüne dies gern gewollt hätten. „Sie drücken sich um die Auseinandersetzung“, warf SPD-Fraktionschef Uwe Grund den Regierungsfraktionen vor, und seine Stellvertreterin Britta Ernst fragte sich, „welch absurde Debatte Sie sich hier die ganze Zeit erlauben, nur um nicht über Ihre Jahresbilanz diskutieren zu müssen“. Eine Debatte, in der es das Präsidium immerhin fertig brachte, fünf Ordnungsrufe zu verteilen. Allen voran natürlich wieder Schills Harakiri-Redner Frank-Michael Bauer, der gleich zwei Disziplinarrufe auf sich vereinigte, als er den Bundeskanzler als „an moralischer Verkommenheit und Charakterlosigkeit nicht zu toppen“ bezeichnete. Ansonsten klang es bei Bauer wie üblich: Die Gewerkschaften sind „ein gerontologischer Pflegefall“, der kleine Mann „wird ausgeplündert“, und Joschka Fischer ist ein „polizeiprügelnder Außenminister“.

Ob der rot-grüne Koalitionsvertrag Hamburg schadet oder nutzt, war den meisten RednerInnen ein willkommenes Vehikel, um ebenso lautstark wie niveauschwach gegenseitige Publikumsbeschimpfung zu betreiben. Aus Sicht der einen wie CDU-Haushaltspolitiker Henning Tants hat „Rot-Grün den Familien das Herz gebrochen“, für die anderen wie Grund ist es „das größte Reformprojekt in der deutschen Geschichte“. Konkreter wurde der stellvertretende GAL-Fraktionschef Willfried Maier, der zumindest bewies, den Koalitionsvertrag tatsächlich zu kennen: Wenn Rot-Grün die Eigenheimzulage kürze, komme das der wachsenden Stadt zugute, führte er aus. Dass nun von Steuerbetrug geredet werde, sei nichts anderes als ein „pures Demagogenargument, um die Interessen der reichen Klasse zu vertreten“.

Der neue Generalsekretär der Bundes-SPD, Olaf Scholz, bekam schon einmal einen Vorgeschmack, was ihn wegen seiner Doppelrolle als Hamburger Parteichef in Zukunft erwartet. Keiner der RednerInnen der Rechtsparteien vergaß, die Verantwortung Scholzens für den Koalitionsvertrag hervorzuheben. Barbara Ahrons (CDU) hatte den Vorschlag, Scholz solle „im Bürgergewand von Berlin nach Hamburg pilgern, um sich für diesen Koalitionsvertrag zu entschuldigen“. PETER AHRENS