Die Mär der Handy-Förderer

Nicht wegen gelungener Ansiedlungspolitik oder Millionenspritzen entsteht derzeit die „UMTS-Modellstadt“ Bremen – München oder Düsseldorf war es schlicht zu riskant, zum Pilotprojekt für die neue Mobilfunkgeneration zu werden

Sinnigerweise schwirrte Handy-Piepen durch den Raum, als Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) T-Mobile auf der Pressekonferenz zur Kooperation mit Bremen beglückwünschte. Die Stadt schaffe eben hervorragende Bedingungen, damit der große Investor an der Weser heimisch werde. Hier werde alles getan, um den Start der neuen Handy-Generation so leicht wie möglich zu machen. „UMTS-Modellstadt“, Förderprogramme, Pilotprojekt Bremen undundund. „T-Mobile ist ein hungriger Partner“, lobte Hattig. Und: „Wir auch, und wir sind vom Hunger nicht geschwächt.“ Bremen werde im Sommer 2003 beim deutschen Vermarktungsstart von UMTS ganz vorne mit dabei sein, betonte auch Timotheus Höttges, Chef der Geschäftsführung von T-Mobile. Bald würden im Land 70 UMTS-Sendemasten stehen. Damit gehöre Bremen „auch im globalen Mobilfunkmarkt“ zu den führenden Standorten.

Entlassungen bei den Stahlwerken, Callcentern oder bei SSW – so viel Lob für Bremen als Wirtschaftsstandort ist derzeit selten, vor allem wenn es von einem Global Player wie T-Mobile (allein in Deutschland 23,3 Millionen Kunden) kommt. Den Grund für die Bremen-Vorliebe der Mobilfunker erklärt T-Mobile-Mann Phillip Schindera: „In anderen Städten sind die Grenzwerte für die Mobilfunkmasten nicht so hoch“. Eigentlich hätte man den UMTS-Piloten nicht so gerne in einer „Kleinstadt“ wie Bremen hochgezogen. Aber überall sei T-Mobile auf Vorbehalte gestoßen: „Nicht nur in Düsseldorf, immerhin sitzt ja dort E-Plus“, erzählt Schindera. Selbst in München habe der Stadtrat beschlossen, Telespargel auf öffentlichen Gebäuden nur zuzulassen, wenn die strengen Schweizer Strahlungsrichtwerte eingehalten werden. Schindera: „Das wundert mich schon“. Mit keinem Wort erwähnt er die Bremer Wirtschaftsförderer, genauso wenig das Programm in Höhe von 1,2 Millionen Euro, mit dem in Bremen UMTS-Programmierer bezuschusst werden sollen. Klar: Das sind Peanuts für denKonzern, der im ersten Halbjahr 2002 rund 9,1 Milliarden Euro umsetzte. Schindera lobt die Bremer Verwaltung trotzdem: Weil T-Mobile dort auf „keine Bedenkenträger“ wegen möglicher Gesundheitsrisiken gestoßen ist. „Hier ist man deutlich aufgeschlossener“.

Einige Städte gingen „ziemlich unbedarft“ mit den ungeklärten Gesundheitsrisiken durch Handystrahlung um, sagt Peter Neitzke von Ecolog, einem Umweltforschungsinstitut in Hannover. Andere Kommunen würden indessen trotz bundeseinheitlicher Richtlinien deutlich strengere Richtwerte empfehlen – wie zum Beispiel München, die Stadt hält sich an die Schweiz. Neitzke: „Dort gelten derzeit sogenannte ‚Vorsorgewerte‘ für Handymasten, die zehnfach niedriger sind als in Deutschland.“ Hierzulande gilt eine Feldstärke von 40 bis 60 Volt pro Meter, die Schweiz schreibt vier bis sechs vor. Ecolog empfiehlt sogar höchstens zwei Volt pro Meter. Neitzke: „Dortmund hat das übernommen.“

Grenzwerte hin, Belastung her – Thomas Lecke-Lopatta vom Stadtplanungsamt sieht den Bremer Weg, sich vor Ort mit Anwohnern und Betreibern über die Mast-Standorte zu einigen, als gelungen an: „Durch die Abstimmung sind in Bremen heute 90 Prozent der Masten unstrittig“. Anfangs hätten die Mobilfunkbetreiber das Bremer Verfahren noch skeptischer gesehen. „Jetzt“, so Lecke-Lopatta, „sind sie zufrieden, weil nicht ständig gegen die Masten geklagt wird.“ Kai Schöneberg