Silberstreif über Bayer

Leverkusen besiegt Olympiakos Pyräus 2:0 und zieht in die Zwischenrunde der Champions League ein. Dabei zeigt die Mannschaft einen Hauch jener Spielfreude, die letzte Saison Standard war

aus Leverkusen ERIK EGGERS

In den 20er-Jahren, als Fußball in Deutschland zu einem Massensport explodierte, machten sich intellektuelle Beobachter einen Spaß daraus, die Dinge des Fußballs mit reichlich Metaphern aus der Sprache des Alltags zu illustrieren. Es dauerte daher nicht lange, bis sich irgendjemand, weil er den zwar katastrophalen, aber doch nicht ganz ausweglosen Zustand einer Fußballmannschaft beschreiben wollte, dem Vokabular des damaligen Außenministers Gustav Stresemann bediente. Der hatte nämlich, nachdem sich die zähen Reparationsverhandlungen mit den Alliierten nicht völlig aussichtslos gestalteten, das einleuchtende Bild vom „Silberstreif am Horizont“ geprägt, um so dem darbenden Volk ein wenig Hoffnung zu vermitteln.

Nun ist die Finanzlage der Fußballabteilung Bayer Leverkusens keinesfalls mit dem Haushaltsdesaster jener Zeit zu vergleichen, ganz im Gegenteil. Und doch war Stresemanns Metapher ziemlich stimmig nach dem hart erkämpften 2:0 gegen Olympiakos Piräus, der das vorzeitige Erreichen der Zwischenrunde in der Champions League bedeutete. Schließlich hatte die Mannschaft in den letzten Wochen enorm viel Kredit verspielt. Erstmals in dieser Saison aber schienen die Spieler am Dienstag nun dazu ansatzweise in der Lage, angstfrei mit der schweren Hypothek der vergangenen Saison umgehen zu können. In einigen Situationen blitzte sie nämlich wieder auf, die zuletzt vermisste Spielfreude. Etwa in der 36. Minute, als sich Balitsch nach einem Traumpass Neuvilles plötzlich allein vor dem Tor wiederfand und nur durch ein elfmeterwürdiges Foul gestoppt werden konnte. So auch in der 57. Minute, als Bastürk auf der linken Seite mit einem genial getimten Zuspiel die griechische Abwehr durchschnitt und Babic mit einer herrlichen Flanke Berbatov bediente. Oder auch gut zehn Minuten später in einem mustergültigen Konter, als der Ball, ohne profanen Boden zu berühren, nach den Stationen Ojigwe, Simak und Berbatov erneut zum freien Simak kam.

Doch diese fantastisch herausgespielten Chancen, das bleibt der veritable Unterschied zum glorreichen Frühjahr, wurden nicht verwertet. Berbatov traf nur die Latte, Simaks riskante Direktabnahme verfehlte das Tor. So blieb es zu lange bei dem knappen 1:0, das Juan mit einem Fernschuss bereits in der 14. Minute erzielt hatte, begünstigt durch ein abfälschendes Verteidiger-Knie. Das 2:0 durch einen Elfmeter Schneiders in der 90. Minute fiel „viel zu spät“, wie auch Trainer Klaus Toppmöller befand. Wer wollte dieser Analyse widersprechen angesichts der erstaunlichen Tatsache, dass die Griechen am Ende nicht ein einziges Mal auf das Leverkusener Tor geschossen hatten?

Natürlich, dieser Fakt war einerseits der seltsamen 5-2-2-1-Formation der Griechen geschuldet, die, obwohl sie eigentlich gewinnen mussten, mit sieben Defensivspielern auftraten. Doch andererseits demonstrierte dies ebenfalls die wiedergefundene Stärke der Leverkusener Abwehr, in der nicht nur das Innenverteidiger-Duo Juan und Lucio brillierte, sondern auch der ungemein zweikampfstarke Placente. Toppmöllers Aussage, dass das Leverkusener Spiel in den letzten Wochen vor allem am Fehlen verletzter Abwehrkräfte wie Juan, Placente oder Nowotny gelitten habe, scheint sich nun zu bestätigen. Leverkusen ist endgültig in dieser Saison angekommen.

An keinem Leverkusener Spieler ließe sich das besser veranschaulichen als an Hanno Balitsch. Der 21-Jährige musste vor sechs Wochen noch, wie Manager Reiner Calmund seinerzeit beobachtet haben wollte, nach dem 2:6-Knockout in Athen „mit dem Kompass in die Kabine geführt werden“. Nun jedoch, da er nicht mehr auf der ungewohnten Außenverteidigerposition wirken muss, beweist er im defensiven Mittelfeld seine Stärken. Nicht nur Toppmöller sieht ihn „momentan überragend“. Balitsch lässt solches Kompliment indes kalt, und ebenso kühl klärt er auf über die momentane Mannschaftsdevise. „Wir haben immer ein Tor erzielt“, sagte er. Und: „Wenn wir mit der Maxime ins Spiel gehen, kein Gegentor zu kriegen, dann gewinnen wir das Spiel auch.“