Der Klub der Kandidaten

Die Bedeutung der traditionellen TV-Duelle im österreichischen Fernsehen war noch nie so groß wie vor den kommenden Neuwahlen. Das telegene Geplauder liegt nicht jedem Kandidaten

aus Wien RALF LEONHARD

Zwanzig Sekunden länger als sein Kontrahent hat der östereichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) geredet. Das ist so wenig, da kann sich auch sein Widersacher Alexander Van der Bellen von den Grünen kaum beschweren. Auch Elmar Oberhauser, Moderator der insgesamt sechs TV-Duelle vor den Nationalratswahlen, ist zufrieden mit seinem Zeitmanagement. Auch wenn das Duell ansonsten recht einseitig war: Ein angriffslustiger Schüssel brachte den bedächtigen Professor Van der Bellen mit einem Trommelfeuer von Angriffen dauerhaft in die Defensive. Der stützte derweil sein Kinn unvorteilhaft auf die gefalteten Hände, verdeckte damit das Mikrofon und war kaum noch zu verstehen. „Man muss sich nur anschauen: Welcher von den beiden hat denn ehrlicher gewirkt?“, tröstet sich der Grüne Abgeordnete Peter Pilz über den misslungenen Duell-Einstand seines Chefs hinweg.

Unterhaltsame Debatte

Die Vorsitzenden aller vier im Parlament vertretenen Parteien werden in den nächsten Wochen einander paarweise im Fernsehen gegenübertreten, erst das finale Schaulaufen findet als Elefantenrunde statt. Anders als in Deutschland sind TV-Duelle in Österreich seit den 70er-Jahren etabliert – mit wechselndem Unterhaltungswert. Bruno Kreisky verstand es meisterhaft, sein jeweiliges Gegenüber von der ÖVP mit seiner schulmeisterlichen Art aus dem Konzept zu bringen. Jörg Haider führte das aus der Aktentasche gezogene Schautäfelchen ein, auf dem er dem verblüfften Franz Vranitzky (SPÖ) die skandalösen Ruhebezüge eines Gewerkschaftsfunktionärs unter die Nase hielt. Seitdem traut sich kein Parteichef mehr ohne gründliche Vorbereitung in die TV-Konfrontation.

Diesmal kommt den Duellen besondere Bedeutung zu, denn weniger als vier Wochen vor den Wahlen am 24. November ist die Zusammensetzung der künftigen Regierung völlig offen. SPÖ und ÖVP liegen in den Umfragen gleichauf. Die dramatisch abgestürzte FPÖ, die mit ihrem internen Machtkampf die vorgezogenen Neuwahlen provoziert hat, ringt mit den Grünen um den dritten Platz. ÖVP-FPÖ oder Rot-Grün – wie die nächste Regierung aussieht, könnten die TV-Duelle entscheiden.

Gewinner der ersten Runde ist der amtierende Kanzler – so sehen es die Meinungsforscher. Denn genau wie bei der deutschen TV-Duell-Premiere analysierten und interpretierten Meinungsforscher und Zeitungen jede Regung und Aussage. Und die sprachen größtenteils für Schüssel: Er habe eloquenter gewirkt, die Themen vorgegeben und Rot-Grün als Schreckgespenst mit freiem Haschischverkauf, Einheitsschule und Nähe zu gewaltbereiten Linksextremisten dastehen lassen.

Der Untrainierte

Demoskop Wolfgang Bachmeyer meint, Van der Bellen habe inhaltlich und optisch verunsichert gewirkt und sei nicht auf den Punkt gekommen. Der Grüne habe sich die Themen diktieren lassen, das wirtschaftliche Versagen der Regierung kam so gar nicht zur Sprache. Da rächte sich, dass Van der Bellen bisher jedes Coaching abgelehnt hat.