Rom gegen Florenz

Mit Horrorszenarien macht die Regierung Berlusconi gegen das Treffen der Globalisierungskritiker Stimmung und erwägt ein Verbot der Veranstaltung

aus Rom MICHAEL BRAUN

In einem Crescendo schriller Töne beschäftigen sich Italiens Regierung und die rechten Koalitionsparteien mit den vorgeblich Sicherheitsrisiken, die von dem Europäischen Sozialforum ausgehen sollen, das in der kommenden Woche in Florenz stattfindet. Mit einer Parlamentsdebatte am Dienstag, einer Sitzung des Regierungs-„Komitees für öffentliche Sicherheit“ und schließlich mit einer für heute einberufene Kabinettssitzung arbeitet Italiens Rechte systematisch auf die Diskreditierung des Sozialforums hin.

Noch vor einer Woche hatte Innenminister Giuseppe Pisanu jeden Vergleich zwischen Florenz und Genua zurückgewiesen; in Florenz finde kein Gipfel der Mächtigen statt, deshalb sei auch keine Rote Zone zu belagern. Weise Worte: In Florenz gibt sich die „Bewegung der Bewegungen“ ein Stelldichein, wollen im Gefolge von Porto Alegre die europäischen Globalisierungskritiker unter dem Motto „Gegen Neoliberalismus, Krieg und Rassismus“ über ihre Vernetzung und gemeinsame Kampagnen beraten. Erwartet werden zu den am Donnerstag und Freitag nächster Woche laufenden Seminaren und Workshops etwa 20.000 Teilnehmer; für die am Samstag geplante Irakdemo dagegen rechnen die Organisatoren mit 150.000 Personen.

Horden seien im Anmarsch auf Florenz, verkünden Regierungspolitiker, und Berlusconi weiß schon jetzt, dass die Kunststadt „sicher Verwüstungen“ erleben werde. Ähnlich katastrophal sind die vom Innenminister entworfenen Szenarien. „Erst in der letzten Woche“ – dies soll wohl seinen Sinneswandel erklären – seien neue Fakten bekannt geworden; und dann schwadroniert der Minister von der geplanten Besetzung der US-Basis „Camp Darby“ in der Toskana und von der Stürmung von Abschiebelagern – die in der Toskana gar nicht existieren. Noch mehr weiß die Rechtspresse. Die Tageszeitung Libero titelte: „No Globals – die neue Waffe Allahs“.

Die Szenarien sind genauso bizarr wie die seinerzeit für Genua in Aussicht gestellten Aidsblutbeutel als Wurfgeschosse auf die Polizisten – und sie erfüllen den gleichen Zweck. Nicht nur die Inhalte des Forums werden systematisch aus der öffentlichen Diskussion verdrängt, auch die Voraussetzungen für Repressionen werden vor Ort geschaffen: Wenn es in Florenz zu Zusammenstößen kommt, dann – so Berlusconi – liegt die Verantwortung bei den linken Politikern der Toskana, beim Regionalpräsidenten Claudio Martini und beim Florentiner Bürgermeister Leonardo Domenici, die das Europäische Sozialforum nach Florenz eingeladen haben.

Weder die Organisatoren noch die örtlichen Politiker sind allerdings bereit, dieses Spiel mitzuspielen. Das Forum bereitet – anders als in Genua – für die Großdemo einen eigenen Ordnerdienst vor, der den friedlichen Ablauf garantieren soll; Marini und Domenici denken ihrerseits nicht daran, unter dem Druck der Regierung in letzter Minute die Veranstaltungen zu kippen. Dafür will die Regierung womöglich selbst sorgen: Ein Verbot gehört zu den Optionen, über die das Kabinett heute entscheidet.