„Für die Kinder lebenswichtig“

Einzige Erziehungsberatungstelle im Bezirk Mitte wird geschlossen. Sie bot Eltern und Kindern seit 1976 Beratung und therapeutische Hilfe an. Bezirk begründet diesen „schweren Herzens“ getroffenen Beschluss: „Wir müssen rigoros sparen“

von KAIJA KUTTER

In Hamburg gibt es 12 städtische Erziehungsberatungstellen (EZB), davon eine einzige im Bezirk Mitte. Noch. Die Stelle in Mitte wird nun geschlossen, obwohl sie für Eltern und Kinder besonders im sozial schwachen Billstedt und Mümmelmannsberg eine wichtige Rolle spielt. „Hier im Stadtteil gibt es keine vergleichbare Einrichtung“, sagt die Psychologin Anne Frick-Schattenberg. Doch im Frühjahr ist Schluss, lediglich die begonnenen Therapien dürfen noch beendet werden.

Eigentlich gibt es laut Kinder- und Jugendhilfegesetz eine rechtliche Verpflichtung für den Staat, Erziehunsgberatung anzubieten. „Schweren Herzens“, habe man die Schließung beschlossen, sagt Bezirkssprecherin Sorina Weiland: „Wir müssen leider rigoros sparen.“ Im Fall der EZB sei zudem die „Funktionsfähigkeit“ gefährdet, weil zwei MitarbeiterInnen in Rente gingen und es für den Bezirk eine Wiederbesetzungssperre gibt. Aus diesem Grund habe man auch die Wohngelddienststellen in Finkenwerder und auf der Veddel dichtmachen müssen. Die Erziehungsberatung an sich, so Weiland, werde von freien Trägern übernommen. Allerdings kann dies irgendwo in Mitte sein. Denn in Billstedt war die „nur zufällig“.

Doch die EZB-MitarbeiterInnen bezweifeln, das freie Träger die Lücke quantitativ und qualitativ füllen können. „Wir arbeiten präventiv und eigentlich ganz billig“, sagt Frick-Schattenberg, „durch eine teure Heimeinweisung, die wir verhindern, wäre schon eine Stelle finanziert.“

„Wir erreichen Familien, die niemals bei einem niedergelassenen Arzt oder Therapeuten Fuß fassen würden“, sagt die Kinder- und Jugendtherapeutin Gisela Beckmann-Többen: „Wir haben erreicht, dass alte Erziehungsmuster nicht mehr von Generation zu Generation weitergegeben werden.“

In der 1976 gegründeten EZB arbeiten zwei Psychologen, eine Therapeutin, ein Sozialarbeiter und ein Arzt. Anlass für einen Besuch der Räume an der Billstedter Hauptstraße seien oft Beziehungsprobleme zwischen Eltern und Kind oder auch Diebstahl, Aggression, Verwahrlosung, Leistungsprobleme und Selbstmordgefahr bei Jugendlichen. Frick-Schattenberg: „Oft kommt dann in der Therapie heraus, dass Missbrauch und Gewalt in Familien der Hintergrund sind.“

Anne Frick-Schattenberg ist seit September im Ruhestand, hängt aber mit dem Herzen an der EZB, sodass sie öffentlich für den Beratungsstelle eintritt. „Die Leute hier haben niemand anderen“, stellt sie fest.

Die GAL Mitte hat zur EZB eine Anfrage gestellt. „Das wurde eiskalt durchgezogen“, sagt Fraktionschef Claudius Lieven. Noch am 1. Oktober habe Bezirksamtsleiter Markus Schreiber die Schließung verneint, sie drei Wochen später dem Jugendhilfeausschuss dann lediglich mitgeteilt.