Brillen des Grauens

„Erase Errata“ setzten mit humanistischen Zynismus und furchtbaren Sehhilfen in der Friesenstraße

Als „Disco Punker“ werden sie mancherorts bezeichnet. Doch bis Erase Errata im Freizeitheim Friesenstraße in den spröden Groove fand, der ihnen diesen Ruf einbrachte, brauchte es seine Zeit. Ein Abend mit Anlaufschwierigkeiten eben.

An dem „Disco Punk“-Ruf aber ist sogar etwas dran. Erase Errata haben ihre Wurzeln nicht zuletzt im (Post)Punk und Wave, wie er in den frühen Achtzigern vor allem in New York gespielt wurde. Jazz, Disco, Noise hielten damals Einzug in den Rock’n’Roll.

Im Moment ist das wieder populär. Radio 4, The Faint, Liars, Winterbrief, Life Without Buildings und andere sorgten jüngst im Untergrund mit einer Musik für Furore, die sich aus solchen Einflüssen speist.

Erase Errata beziehen sich zudem auf eine mehr oder minder explizite Agitprop-Linie nach Le Tigre sowie auf einen in der Gegend um San Francisco verbreiteten Hang zu progressivem Rock im allgemeinen und Captain Beefheart & The Magic Band im besonderen – ein Erbe, das hier in verqueren Takten und einem schneidenden Gitarrenton lebt. In der Summe ergibt das eine Band, wie man sie auch in San Francisco nicht an jeder Ecke findet. Sonic Youth, Le Tigre und John Peel gehören bereits zu den Förderern der Band – was sich in Bremen noch nicht herumgesprochen hat.

Eine Sensation bekamen die immerhin knapp 80 Zuschauer in der Friese nicht zu sehen, aber eine Band, die nicht nur Akzente in furchtbarer Brillenmode setzte, sondern auch während ihres prägnanten Sets, bei aller Kantigkeit des Grooves, aller Schroffheit im Ton, zunehmend mitreißend agierte.

Und dann gab es da noch Zeilen, die aufhorchen ließen: „we are the reasons for the gated communities“, „picture yourself alive“. Stell dir vor, du lebst. Ganz der alte vitalistische wie humanistische Zynismus des New Wave. Immer noch ein gutes Konzept.

Andreas Schnell