Gegen den Mehltau: Die Milch macht‘s

Gefürchteter Schädling im Weinbau kann auch mit umweltfreundlichen Mitteln erfolgreich bekämpft werden

Als Erster entdeckte ihn der Gärtner Tucker im britischen Margate an Gewächshauspflanzen, bereits drei Jahre später war die Gegend rund um Paris verseucht, schließlich blieb kein einziges Weinbaugebiet verschont: Der Pilz Uncinula necator, Verursacher des „echten Mehltaus“, hatte es in kürzester Zeit geschafft, einer der hartnäckigsten Schädlinge im Weinbau zu werden und bis heute zu bleiben.

Unzählige Schädlingsbekämpfungsmittel sind seitdem mit mehr oder minder großem Erfolg gegen den Rebenpilz getestet worden. Die neueste Strategie scheint verblüffend einfach: mit Milch oder Molke könnten die Weinbauern dem Mehltaupilz künftig zu Leibe rücken. Denn Untersuchungen eines australischen Ökologen haben gezeigt, dass diese scheinbar genauso wirksam sind wie herkömmliche Fungizide. Der Rebenpilz macht den Weinbauern besonders in warmen und trockenen Jahren zu schaffen. Alle grünen Pflanzenteile werden dann von einem grau-weißen Belag überzogen, die Blätter wölben sich ein, werden brüchig. Werden die heranwachsenden Beeren von dem Pilz befallen, bleiben sie hart, vertrocknen und platzen schließlich auf.

Die Bauern müssen mit deutlichen Ertragsbußen rechnen, schlimmstenfalls kommt es zu einem Totalausfall der Ernte. „Würde man den Pilz sich selbst überlassen, wären in kürzester Zeit gut 80 Prozent der Reben befallen“, sagt Rolf Blaich vom Lehrstuhl für Weinbau der Universität Hohenheim.

Peter Crisp von der Universität Adelaide in Australien testete in zwei kommerziellen Weingärten mehr als 30 Mittel auf ihre Wirksamkeit gegen den Schädling, darunter etliche Alternativen zu den herkömmlichen, zumeist synthetischen Fungiziden. Milch, im Verhältnis eins zu zehn mit Wasser gemischt, erwies sich dabei als genauso effektiv wie die herkömmlich gegen den Mehltau eingesetzten Mittel, berichtet der Forscher. Auch Molke - ein Abfallprodukt der Käseherstellung – und Produkte auf Rapsölbasis zeigten eine gute Wirksamkeit.

„Diese Ergebnisse sind durchaus vielversprechend“, sagt Walter Kast, von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg. Gerade bei Öko-Weinbauern ist eine umweltschonende Alternative zu den herkömmlichen Mitteln begehrt.

Bisher setzten sie, genau wie konventionelle Winzer, im Notfall Schwefel ein. Dieser ist zwar relativ wirksam, schädigt aber auch Nützlinge. Zudem können allergische Menschen empfindlich auf die entstehenden Schwefelnebel reagieren.

Auf welche Weise Milch und Molke dem Mehltau den Garaus machen, ist bislang nicht ganz geklärt. Vermutlich werden bei Sonnenlicht freie Radikale gebildet, aggressive Substanzen, wie zum Beispiel Wasserstoffperoxid, die den Pilz zerstören. Genau darin könnte aber auch ein Problem liegen: „Es ist fraglich, ob diese Methode überhaupt unter unseren klimatischen Bedingungen funktioniert“, so Blaich. Einige Alternativen seien bereits getestet worden, aber bisher mit mäßigem Erfolg.

Neben dem Schwefel setzten konventionelle Weinbauern auch synthetische Fungizide ein. Bis zu achtmal im Jahr versprühen sie die Chemikalien in den Weinbergen. Dies hat nicht nur schädliche Auswirkungen auf die Umwelt, der Pilz entwickelt darüber hinaus ständig neue Resistenzen gegen die Fungizide.

Der Kampf gegen den Mehltau ist schwierig. Besonders deshalb, weil er aus Amerika eingeschleppt wurde und die Weinstöcke hier keine natürlichen Resistenzen besitzen, erläutert Blaich. Mittlerweile gebe es zwar einige neue Sorten mit einer natürlichen Resistenz. Aber diese haben scheinbar ein Imageproblem – neue Sortennamen machen den Weintrinker skeptisch.

Es gehe natürlich auch nicht darum, alle alten Rebsorten komplett zu ersetzen, sagt auch Gottfried May-Stürmer, Geschäftsführer beim BUND Franken. Aber der Anbau resistenter Sorten sei immer noch der eleganteste Weg bei der Mehltaubekämpfung. Bis sich das auch bei den Verbrauchern durchgesetzt hat, könnten Milch und Molke vielleicht das Arsenal der Weinbauern um eine ökologische Alternative erweitern.

ANJA GARMS