Die Tabak-Achse des Bösen

Die amerikanische Firma Reynolds (Camel, Winston) schmuggelt angeblich Zigaretten mit Söhnen Saddam Husseins.Deals mit Zigaretten in der EU verursachen Steuerausfälle von hunderten Millionen. Brüssel zieht erneut vor US-Gericht

von HANNA GERSMANN

Weltweite Geldwäsche und Zigarettenschmuggel in den Irak – das werfen EU-Kommission, Deutschland und neun weitere Mitgliedstaaten dem US-Tabakkonzern R. J. Reynolds vor. Gestern reichte die EU gegen den Produzenten von Marken wie Camel und Winston eine 149 Seiten umfassende Klageschrift bei einem Zivilgericht in New York ein. Die entsprechenden Beweise habe die europäische Antibetrugseinheit zusammengetragen, hieß es in Brüssel.

Bekannt wurde, dass Zigaretten zunächst aus der Reynolds-Fabrik in Puerto Rico über europäische Häfen zu einer Tochterfirma auf Zypern und dann in die Türkei gebracht worden sein sollen. Per Lkw ging es dann vermutlich in den benachbarten Irak –mit 5,7 Milliarden Zigaretten allein in den Neunzigerjahren. Stimmt das, handelt es sich um einen Verstoß gegen das auch in den USA seit dem Irakkrieg 1990 geltende Handelsembargo der Vereinten Nationen. Danach hätte Reynolds Zigaretten nur mit einer Sondergenehmigung des US-Finanzministeriums in den Irak liefern dürfen. Die soll der Reynolds-Konzern nach ARD-Informationen laut Klageschrift nicht gehabt haben. Hingegen kooperiere er aber mit den Söhnen des irakischen Herrschers Saddam Hussein. Zudem, so die ARD weiter, soll in den Schmuggel auch die kurdische Separatistenorganisation PKK einbezogen sein. Darüber hinaus soll es Verbindungen zur Mafia geben.

Der Schmuggel mit Bagdad ist brisant – und trotzdem nur ein Nebenaspekt. Brüssel ist schon seit langem davon überzeugt, dass sich US-amerikanische Zigarettenfabrikanten wissentlich am Zigarettenschmuggel in ganz Europa beteiligen. Dementsprechend ist es nicht das erste Mal, dass die zuständige EU-Kommissarin Michele Schreyer gegen die Tabakmultis vor Gericht zieht. Bisher hatte sie allerings keinen Erfolg. Schreyer erklärte aber gestern: „Die Kommission ist entschlossen, ihren Kampf gegen Geldwäsche, Zigarettenschmuggel und damit verbundene schwere grenzüberschreitende Verbrechen zu gewinnen.“ Schließlich geht es um viel Geld: Auf mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr schätzt Schreyer die Steuerverluste durch eingeschmuggelte amerikanische Glimmstengel.

Erst im Februar war die EU mit einer Klage auf Schadenersatz vor einem Bezirksgericht in New York gescheitert. Sie war nicht nur gegen Reynolds, sondern auch gegen Philipp Morris, bekannt durch Marken wie Marlboro und Benson & Hedges, angetreten. Der Richter Nicholas Garaufis befand aber, die USA hätten nicht das Recht, Steuern für andere Staaten einzutreiben. Den schon damals erhobenen Geldwäschevorwurf ließ Garaufis jedoch offen. Auf ihn setzt die EU nun erneut. Zu Einzelheiten nahm die Kommission gestern allerdings keine Stellung.

Illegaler Handel mit Zigaretten – Deutschland ist da nicht ausgenommen. Nach Angaben von Zollexperten werden Zigaretten beispielsweise an einen Exporteur in einen deutschen Freihafen geliefert. Der lässt die Ware über die Zigarettenmafia nach Osteuropa schaffen. Von dort wird sie dann unverzollt und unversteuert nach Deutschland zurückgebracht. Die Kommission wirft Reynolds vor, die Vorgänge zu kennen und dennoch die Beteiligten zu beliefern. Bis gestern Nachmittag hatte das Unternehmen keine Stellungnahme abgegeben.