Westerwelle schwimmt

FDP-Parteichef gerät wegen schlechtem Krisenmangement in die Kritik aus den eigenen Reihen. Hessen und Sachsen bemängeln Wahlkampfstrategie. Westerwelle: Keine Fehler gemacht

BERLIN taz ■ In der FDP wächst der Unmut über Parteichef Guido Westerwelle. Kurz vor der Klausurtagung von Bundesvorstand und Fraktion in Berlin äußerten gestern mehrere FDP-Landespolitiker deutliche Kritik.

Westerwelle hätte viel früher gegen Jürgen Möllemann und dessen antisemitische Aktivitäten vorgehen müssen, sagte der hessische FDP-Vize Andreas Becker der taz. „Bei Möllemann 1 hätte er eingreifen müssen, im Mai, als die Karsli-Affäre losging.“ Westerwelle wisse selbst, dass er „zu gutmütig“ war.

Auch die Strategie vor der Bundestagswahl hält Becker für falsch, weil Westerwelle auf eine Koalitionsaussage für die CDU verzichtete. „Zum Schluss hätte man es sehr deutlich formulieren müssen.“ Die täglich neuen Enthüllungen über das Finanzgebaren der nordrhein-westfälischen FDP bezeichnete Becker als „störend“ im laufenden Wahlkampf der hessischen FDP vor der Landtagswahl im Februar.

Der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow sagte auf dem Landesparteitag in Coswig, er habe noch nie einen so miserabel organisierten Bundestagswahlkampf gesehen wie den in diesem Jahr. Zastrow kündigte an: „Wir gehen jetzt den sächsischen Weg.“ Nötig seien andere Themen und andere Leute, „nicht so glatt gebürstete“ wie im Bund.

Die Bundespartei habe Möllemann genutzt, um von „eigenen Fehlern“ abzulenken, sagte Zastrow der Leipziger Volkszeitung und bemängelte die „katastrophale innere Kommunikation“. Damit hapert es auch in der Berliner Parteizentrale der FDP. Westerwelle hatte am Mittwoch zwei Mitarbeiter gefeuert, weil sie ihn nicht über eine schriftliche Warnung vor Möllemanns antisemitischer Flugblattaktion informiert hatten. Schatzmeister Günter Rexrodt sagte am Mittwochabend, so etwas dürfe man „nicht nur den Mitarbeitern anhängen“. Westerwelle lehnte persönliche Konsequenzen jedoch ab. Er habe sich keine eigenen Fehler vorzuwerfen. Kritik gibt es auch an der designierten Möllemann-Nachfolgerin in NRW, Ulrike Flach, weil sie nicht energisch gegen Möllemanns Flugblattaktion vorging. „Es ärgert mich schon sehr, dass dort jetzt möglicherweise der Neustart noch ein bisschen schwieriger geworden ist“, sagte die bayerische FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der taz. Der hessische Landesvize Becker empfahl Andreas Pinkwart als „besseren Kandidaten“.

LUKAS WALLRAFF

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