JÖRG HAIDER KURIERT SEINE FPÖ RADIKAL VOM FÜHRERKULT
: Handkantenschläge

In den frühen Siebzigerjahren entstand um RAF und Bewegung 2. Juni eine Initiative, die sich „Sozialistisches Patientenkollektiv“ nannte und deren Kampffeld die Irrenhäuser waren. Berühmt wurde ihre Parole: „Aus der Krankheit eine Waffe machen“.

Dieser schöne Slogan kommt einem wieder in den Sinn, blickt man auf die verbliebenen Protagonisten der rechtspopulistischen Freiheitlichen in Österreich. Da zieht sich der eben ohnehin nur als Not-Parteichef und Spitzenkandidat gekürte Mathias Reichhold mitten im Wahlkampf zurück. Jetzt hängen die Wahlplakate mit seinem Konterfei verloren in der Gegend herum, eigenartige Poster übrigens, deren Message sich nicht gegen die Konkurrenz richtet: „Sein Handschlag zählt“, heißt es darauf, was insinuieren sollte: womit er sich von seinen Parteifreunden unterscheidet. Da aber in der FPÖ der Handkantenschlag viel mehr zählt, schwimmt Reichhold jetzt als politische Leiche die Donau hinunter, so wie vor ihm schon das Führungstrio Susanne Riess-Passer, Karl-Heinz Grasser und Peter Westenthaler. Für die verbleibenden Wahlkampfwochen erbarmte sich jetzt ein alter Mann namens Herbert Haupt, bisher Sozialminister, die Ehre des Parteiführers anzunehmen.

Jörg Haider und sein Klüngel sind wild entschlossen, ihren Laden vollends zu zertrümmern. Gerade eben erklärte Haider, dass Riess-Passer, Grasser, Westenthaler aus der Partei austreten sollen, nur um andertags kundzutun, er habe das nicht so gemeint – und um flugs zu einem neuen Trip in den Irak aufzubrechen. Ein oberösterreichischer Parteifreund riet seinem Exführer, er möge dort um politisches Asyl ansuchen.

Das österreichische Publikum hat das Privileg, einer Partei beim Selbstzerstören zuzusehen. Vor drei Jahren hatte die FPÖ noch 27 Prozent erreicht. Heute meinen die Demoskopen, die 10-Prozent-Marke werde die Truppe schon überspringen. Wie formulierte einer der Ultrarechten der Partei? „Jörg Haider hat die FPÖ vom Führerkult geheilt.“

Das hatte ja nicht einmal Adolf Hitler geschafft.

ROBERT MISIK