Demokratisierung in Haiti nicht in Sicht

Heute läuft ein Ultimatum der Organisation Amerikanischer Staaten an Haiti ab. Hilfsgelder vorerst weiter auf Eis

SANTO DOMINGO taz ■ 60 Tage waren wohl zu knapp: Heute läuft ein Ultimatum der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) an Haiti ab. Der Ständige Rat der OAS hatte Präsident Jean Bertrand Aristide Anfang September aufgefordert, einen Demokratisierungsprozess einzuleiten und davon die Freigabe der seit Anfang 2001 eingefrorenen Hilfsgelder in Höhe von 500 Millionen Dollar abhängig gemacht.

Die OAS hatte die Bildung einer paritätisch besetzten Wahlkommission unter Beteiligung der Opposition verlangt, die vorgezogene Parlamentswahlen in der ersten Hälfte 2003 vorbreiten sollte. Acht der neun Sitze seien mit Kirchenvertretern, dem Unternehmensverband, den Gewerkschaften sowie Menschenrechtsorganisationen besetzt, betonte der Minister für Öffentlichkeitsarbeit, Mario Dupuy, nur die Opposition habe keinen Delegierten benannt.

Der 48-jährige haitianische Staatschef steckt seit der OAS-Resolution in einer Zwickmühle. Zwar bekundete er seine Bereitschaft, alle Forderungen zu erfüllen, verweigerte aber der in der Convergence Démocratique zusammengeschlossenen Opposition jede Zusammenarbeit. „Aristide hält seine Versprechungen selten“, so deren Sprecher, Gérard Pierre-Charles, und forderte den Rücktritt Aristides.

Seit der überstürzten Abreise des Diktators Jean-Claude Duvalier, Baby Doc, im Jahre 1986 ist das auf der Insel Hispaniola gelegene, acht Millionen Einwohner zählende Armenhaus nicht mehr zur Ruhe gekommen. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 250 US-Dollar. 62 Prozent der Bevölkerung leiden an Mangelernährung. Militärobristen wechselten sich an der Regierung ab, bis der „Armenpriester“ Aristide Ende 1990 zum Präsidenten gewählt wurde. Knapp neun Monate nach seiner Amtsübernahme musste er nach einem Militärputsch in den USA Asyl suchen. Erst 20.000 US-Marines ebneten dem Anhänger der Befreiungstheologie die Rückkehr in den Regierungspalast.

Bei den Parlamentswahlen 2000 kam es auch nach Ansicht ausländischer Beobachter zu Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung. Oppositionelle der Convergence Démocratique wurden von militanten Anhängern der Aristide-Partei „Fanmi Lavalas“ bedroht. Daraufhin schickte die Demokratische Konvergenz keinen Kandidaten ins Rennen um das Präsidentenamt. Aristide wurde mit absoluter Mehrheit gewählt. Nachdem Aristide, trotz Protesten, sein Amt antrat, stoppten OAS und Europäische Gemeinschaft zugesagte Hilfsgelder. Bereits Mitte der vergangenen Woche hatte der bei der OAS akkreditierte US-Botschafter Roger Noriega Haiti eine düstere Zukunft prognostiziert. Das Land sei auf dem besten Wege zu einem „Pariastaat“, stellte Noriega fest, ohne jedoch praktische Konsequenzen zu formulieren, die die Bush-Regierung ziehen werde. HANS-ULRICH DILLMANN