Microsoft hat doch gewonnen

Im Kartellstreit bestätigt das US-Bundesgericht den soften Vergleich aus dem Vorjahr. Der Softwaregigant muss sich ein bisschen öffnen und darf ansonsten weitermachen wie bisher. Jetzt versucht es die Konkurrenz mit eigenen Klagen

„Die Justiz kapituliert vor einem Konzern, der uns seit 10 Jahren terrorisiert“

von BEATE WILLMS

Bill Gates hat gelernt vorsichtig zu sein. Als die Washingtoner Richterin Colleen Kollar-Kotelly am Freitag den vermutlich letztgültigen Urteilsspruch in dem seit vier Jahren laufenden Kartellprozess gegen Microsoft verkündete, hielt er sich zurück. Das Ergebnis sei „ein harter, aber fairer Kompromiss“, sagte der Gründer des Softwareriesen. Er fühle sich nun „persönlich verpflichtet“, ihn umzusetzen. Die Konkurrenz dagegen tobte. „Die US-Justiz hat vor einem Konzern kapituliert, der die Industrie seit einem Jahrzehnt terrorisiert“, schimpfte Mike Pettit, Präsident des Handelsverbandes ProComp. Unterstützung bekam er von unabhängigen Beobachtern wie etwa dem Baltimorer Juristen Bob Lande, der das Urteil als „einen Microsoft-Sieg auf der ganzen Linie“ bezeichnete.

Viel Neues enthält das Urteil nicht. Es entspricht in weiten Teilen einem Kompromiss, den Microsoft mit der US-Bundesregierung und 10 der 19 klageführenden Bundesstaaten im vergangenen November ausgehandelt hatte, nachdem das Unternehmen für schuldig befunden worden war, seine beherrschende Marktstellung illegal ausgenutzt zu haben. Bundesrichterin Kollar-Kotelly bestätigte ihn nun als „dem öffentlichen Interesse entsprechend“. Weitere Sanktionen, wie sie die 9 Bundesstaaten, die gegen den Deal klagten, verlangten, hielt sie für „nicht ausreichend wissenschaftlich gestützt“. Sie nützten nur der Konkurrenz.

Microsoft muss den Computerherstellern nun mehr Freiheiten bei der Verwendung des Betriebssystems Windows XP einräumen: Das Unternehmen darf bis 2007 keine Exklusivverträge abschließen, die Wettbewerber schädigen können, und keine Maßnahmen gegen Hersteller ergreifen, die keine Microsoft-Produkte nutzen. Die Symbole für die Microsoft-Programme müssen von Herstellern und Anwendern entfernt werden können – das gilt allerdings nicht für die Programme selbst. Und vor allem muss Microsoft Softwareentwicklern technische Details über Windows zugänglich machen, damit deren Programme genauso gut wie Microsoft-Programme innerhalb des Betriebssystems laufen können.

Hier gibt es auch den einzigen relevanten Unterschied zum Vorjahreskompromiss: Die Richterin ordnete eine erheblich längere Zeitspanne für die Vorabinformation an. Ein Ausschuss, dem auch Mitglieder des Microsoft-Vorstandes angehören, soll die Einhaltung des Abkommens, das zunächst für fünf Jahre gilt, überwachen. Ob die Zugeständnisse den Staaten, die gegen den Kompromiss geklagt hatten, genügen, ist noch unklar. Eine Berufung beim Obersten Gerichtshof ist möglich.

Für die PC-Welt bedeutet das Urteil keine große Veränderung. Microsoft hat bereits ein „Service-Pack 1“ für Windows XP ausgeliefert, mit dem User nun festlegen können, dass Microsoft-Programme nicht mehr als Standardsoftware auftauchen. Allerdings ist die Funktion so versteckt, dass sie kaum jemand nutzt. Zudem kommt die Möglichkeit vielleicht schon zu spät: Internet Explorer, Outlook Express oder Windows Media Player haben sich nach jahrelangem unfairem Wettbewerb bei vielen Anwendern längst als Quasistandard durchgesetzt.

Zu ausgiebig feiern wird man den Sieg im Kartellverfahren bei Microsoft jedoch nicht. Denn ausgestanden ist die Monopoldiskussion nicht. Auch die Europäische Kommission ermittelt und will Ende des Jahres entscheiden, wie sie weiter vorgeht.

Hinzu kommen Klagen der Mitbewerber Sun Microsystems und der Netscape Division von AOL Time Warner. Diese stützen sich darauf, dass auch die jetzige Entscheidung das Urteil des US-Richters Thomas Penfield Jackson nicht in Frage stellt, der vor zwei Jahren entschieden hatte, Microsoft nutze seine Monopolstellung wettbewerbswidrig aus – auch wenn er sich mit seiner Anordnung, das Unternehmen zu zerschlagen, nicht durchsetzen konnte. Sun klagt auf 1 Milliarde Dollar Schadenersatz, eine Summe, die auch den weltgrößten Softwarehersteller empfindlich treffen würde.