geläufig Weniger als wertlos

„Es mag Aberglaube sein, aber in meinen Augen sind Bücher, die von 1933 bis 1945 in Deutschland überhaupt gedruckt werden konnten, weniger als wertlos und nicht gut in die Hand zu nehmen. Ein Geruch von Blut und Schande haftet ihnen an: sie sollten alle eingestampft werden.“ Dieses scharfe Urteil schrieb Thomas Mann (Foto) kurz nach dem Krieg in seinem Aufsatz „Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe“ nieder, in welchem er sich gegen all jene wandte, die, wie beispielsweise Walter von Molo oder Frank Thiess, in Nazi-Deutschland weiter publiziert hatten und sich nun – kurz nach dem Krieg – nicht nur als Oppositionelle ausgaben, sondern die zudem für sich reklamierten, mindestens genauso sehr gelitten zu haben wie die Emigranten. Andere Emigranten, wie Alfred Döblin, Ivan Goll oder Karl Otten, konnten kaum an ihre einstigen Erfolge anknüpfen, mussten aber zusehen, wie der einst glühende Nationalsozialist Gottfried Benn nun von der deutschen Presse gefeiert wurde. Erst nach ihrem Tod wurden viele Emigranten wieder dem literarischen Kanon des 20. Jahrhunderts zugerechnet, bis dahin wurden sie, so sie überhaupt das Exil überlebt hatten, verdrängt. Manche deutsche Dichterin und mancher deutscher Dichter fiel sogar ganz aus dem literarischen Wissen heraus, und wenn sie nicht, wie Kafka, im Ausland Erfolg feierten, blieben sie vollends vergessen. An diese Vergessenen, Verfehmten und Verdrängten möchte Mario Keßler in seinem Vortrag über „Exil und Nachexil – Vertriebene Intellektuelle im 20. Jahrhundert“ erinnern. SUN

Jüdischer Kulturverein, 19 Uhr