Reformer sehen die PDS kurz vorm Tod

Dietmar Bartsch und Gregor Gysi nehmen letzte Beatmungsversuche vor. Viel Hoffnung haben sie nicht mehr

BERLIN taz ■ Führende Reformpolitiker der PDS haben drei Wochen nach dem verheerenden Parteitag in Gera ihre Sprache wiedergefunden, und was sie über ihre Partei zu sagen haben, ist für die neue PDS-Führung alles andere als schmeichelhaft. Es ist vernichtend. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch schreibt in einem neunseitigen Positionspapier, die Beschlüsse von Gera hätten die PDS zu „einer marginalen, unbedeutenden Partei“ gemacht. Ihr drohe der „politische Tod“. Bartsch, der mit seiner Vorstellung eines entschiedenen Reformkurses zu den großen Verlierern des Parteitages zählt, rechnet in scharfen Worten mit der PDS-Chefin Gabi Zimmer und deren Stellvertreter Dieter Dehm ab. Bei Zimmer breche „immer wieder der alte Hang durch, in der Sozialdemokratie den schlimmsten Gegner der Sozialisten auszumachen“. Dehm wirft er vor, nach vier Jahren „kein kritisches Wort zum Scheitern seiner blenderischen Versprechungen“ über den Aufbau der PDS im Westen zu finden. Eine erfolgreiche Ausdehnung nach Westdeutschland ist nach Bartschs Einschätzung gescheitert, weil die Partei „eine instinktive Ablehnung“ gegen die dortige Gesellschaft kultiviert habe und im „alten Klassenfeind-Denken“ verhaftet sei. Die PDS liege im Westen „vielerorts gleichauf mit den Bibeltreuen Christen“, obwohl sie zwölf Jahre lang eine Infrastruktur habe, „von der andere Politsekten der gleichen Größenordnung nur träumen können“.

Bartsch fordert in einem wohl letzten Versuch die PDS zu programmatischer Klarheit auf. Die Partei dürfe nicht immer nur „dagegen sein“, sie müsse politische Alternativen bieten. „Man kann nicht bloß erklären: Wir sind Opposition!“, so der Reformer. Die PDS müsse sagen, „was ganz konkret wir gestalten bzw. verändern wollen und wie und mit wem“. Viel Hoffnung, dass sich die Kräfteverhältnisse in der Partei noch mal ändern werden, hat Bartsch jedoch nicht mehr. Erstmals in der PDS-Geschichte seien jetzt diejenigen mehrheitsfähig geworden, „die nicht wollen, dass die PDS ein Machtfaktor in der Gesellschaft ist“.

Ähnlich optimistisch über die Zukunft seiner Partei hat sich auch Gregor Gysi, der ehemaliger Partei- und Fraktionschef, geäußert. Nach zweieinhalb Wochen des Schweigens gab er dem Leib- und Magenblatt der meisten Genossen, dem Neuen Deutschland, ein Interview, in dem er bezweifelt, dass die PDS noch die Kraft hat, den freiwilligen Weg „in eine neue Isolation“ zu verhindern. Gysi kritisiert die Selbstbezogenheit der PDS, die sich, wie früher die SED, wichtiger nehme als die Gesellschaft. „Eine demokratisch-sozialistische Partei ist nicht die, die sagt, kein Frieden mit dieser Gesellschaft“, so Gysi. „Dieser Satz in der Rede der PDS-Vorsitzenden hat mich schockiert. Was denn dann – Krieg?“ JENS KÖNIG