Nicht billig, aber gut: Demokratie in NRW

Politisch aktive Bürger schätzen die neu eingeführte „Volksinitiative“. Und das Schönste: Die Kosten trägt der Staat

KÖLN taz ■ In Nordrhein-Westfalen jagt derzeit eine Volksinitiative die nächste. Gleich zwei Interessengruppen machen von dem erst im März eingeführten Instrument der direkten Demokratie Gebrauch, um die rot-grüne Landesregierung in Verlegenheit zu bringen.

Die erste Volksinitiative stammt von aufgebrachten Bürgern des Ruhrgebietsstädtchens Herne. Die Landesregierung will eine forensische Klinik im Ortsteil Wanne bauen. Insgesamt sind in Nordrhein-Westfalen sechs dieser Kliniken geplant, die therapiebedürfte Straffällige aufnehmen sollen. Dabei ist die Bürgerinitative „Forensik Wanne-Herne“ nicht grundsätzlich gegen eine solche Klinik – nur gegen den Standort in der eigenen Nachbarschaft.

Parallel sammelt der CDU-nahe Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) Unterschriften, um ab Dezember eine Volksinitiative gegen Studiengebühren zu starten. Unterstützung bekommt der RCDS nun überraschend auch vom Asta der Uni Bonn. Der von Jusos, Liberalen und Grünen geführte Studierendenausschuss schließt sich mit dem politischen Gegner zusammen, um der rot-grünen Landesregierung „noch einmal klar vor Augen zu führen, dass sich die Studierendenschaft klar gegen Studiengebühren ausspricht“. Der hochschulpolitische Referent des AStA, Julius Bübl, schränkt ein: „Wir legen die Unterschriftenlisten aus, solange nicht RCDS draufsteht.“

Die Volksinitiative ist attraktiv, weil sie sich leicht in Gang bringen lässt: Lediglich 3.000 Unterschriften müssen beim Düsseldorfer Innenministerium eingereicht werden. Für ein Volksbegehren, die Vorstufe zum Volksentscheid, sind hingegen eine Million Unterschriften nötig. Zudem muss dafür ein Gesetzentwurf vorliegen.

Doch die Volksinitiative hat auch Nachteile: Sie sorgt zwar landesweit für Aufsehen, aber ihre tatsächliche Wirkung ist winzig. Wenn am Ende mindestens 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten das Anliegen mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, muss sich der Landtag damit befassen – etwa in einer aktuellen Stunde. Aber er muss nichts beschließen.

Die aufgeblähten Petitionen werden teuer. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, das die Bürgerinitiativen von der Last befreit hat, die Unterschriften selbst einzusammeln. Ergebnis: Alle 396 Kommunen müssen acht Wochen lang, selbst an Sonntagen, Unterschriftenlisten auslegen und Personal bereitstellen. Im September schätzte der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen die Kosten für jede einzelne Volksinitiative auf etwa 5 Millionen Euro.

Zwar hat die Landesregierung nach zähen Verhandlungen kleinere Zugeständnisse an die Kommunen gemacht. So wurden die Sonntagsöffnungszeiten reduziert, und in den Großstädten reicht es nun aus, wenn nur einige der Bezirksämter geöffnet sind. Doch die Kosten würden sich „sicher immer noch im einstelligen Millionenbereich bewegen“, so der Sprecher des Städte- und Gemeindebundes, Martin Lehrer. Damit die Volksinitiativen das Land nicht das letzte Hemd kosten, schlägt der Verein „Mehr Demokratie“ vor, die Inis ihre Unterschriften lieber selbst sammeln zu lassen.

SEBASTIAN SEDLMAYR