Urbanisierung des Wissens

Überall entstehen neue Technologieparks. Doch welche Auswirkungen hat die „Wissensstadt“ auf den urbanen Raum? Auf einer Tagung wurde deutlich, dass die Politik das am allerwenigsten weiß

von UWE RADA

Was tun, wenn die Wirtschaft nicht mehr brummt? Wie reagieren Städte wie Berlin, aber auch kleinere Kommunen, wenn nicht nur das Kapital flieht, sondern auch die Arbeit? Bislang gab es auf diese Fragen eine einfache Antwort: Man weist irgendwo auf der grünen Wiese einen Standort aus, rammt eine Tafel mit der Aufschrift „Wissenschafts- und Technologiepark“ in den Boden und wartet anschließend auf bessere Zeiten.

Das Institut für Regionalentwicklung und Strukturpolitik (IRS) in Erkner dagegen hat nicht gewartet, sondern zu forschen begonnen. „Stadt und Wissen“ lautet ein Schwerpunkt der Untersuchungen, an denen nicht nur Stadt- und Raumplaner, sondern auch Soziologen und Politologen beschäftigt sind. „Das Leitbild Wissensstadt ist heute in aller Munde“, sagt der am IRS arbeitende Soziologe Ulf Matthiesen, „aber wir wissen noch viel zu wenig, wie sich die wissensbasierte Gesellschaft auf den Stadtraum auswirkt und umgekehrt.“ Deshalb haben die Forscherteams mit Frankfurt (Oder), Jena und Erlangen drei Städte ausgesucht, an deren Beispiel Investitionsentscheidungen und Wirtschaftsförderungspolitik der letzten zehn Jahre untersucht wurden. Eine Zwischenbilanz dieser Untersuchungen hat das IRS nun während einer zweitägigen Tagung vorgestellt.

Die Ergebnisse sind dabei höchst unterschiedlich ausgefallen. Während Jena und Erlangen den Umbau zur Wissensstadt erfolgreich bewältigen können, ist er in Frankfurt (Oder), trotz Viadrina und Halbleitertechnologie, gründlich misslungen. Als Grund nennt der Raumplaner Manfred Kühn die „Dispersion verschiedener Wissensstandorte“. So sei zum Beispiel das Institut für Halbleiterphysik von der Verwaltung gezwungen worden, an den Stadtrand zu ziehen. Dadurch gebe es zwischen der Viadrina und den hoch spezialisierten Forschern kaum mehr persönliche Kontakte.

Ganz anders dagegen Jena. Hier wurde bei der Privatisierung des Zeiss-Konzerns schon früh auf eine Verknüpfung der Wirtschaft geachtet. Der Großteil der außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der High-Tech-Betriebe wurde im Stadtzentrum angesiedelt. Das Ergebnis ist bekannt. Anders als Frankfurt gehört Jena heute zu den „Leuchttürmen“ Ostdeutschlands.

Es gibt also, resümierte Manfred Kühn, neben der bisherigen „Suburbanisierung des Wissens“ auch eine „Reurbanisierung des Wissens“. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Forschungs- und Technologieparks auf der grünen Wiese. „Wenn diese Orte keine kritische Masse bilden und damit selbst eine weitere Entwicklung hervorrufen, wandern die Betriebe und die Beschäftigten wieder ab“, meint Thomas Knorr-Siedow vom IRS.

Knorr-Siedow spricht damit die Standortwünsche der Unternehmen und ihrer Beschäftigten im „Wissensmilieu“ an, die in der US-Forschung bereits eine große Rolle spielen. So nennt zum Beispiel der Regionalökonom Richard Florida eine urbane Umgebung als Voraussetzungen für die Ansiedlung der „kreativen Klasse“. „Städte ohne Homosexuelle und Rockbands“, so Florida provokativ, „sind ökonomisch dem Untergang geweiht.“

Was heißt das nun für die Politik? Soll neben den Schildern auf der grünen Weise nun auch noch eine Schwulendisko gebaut werden?

Knorr-Siedow formuliert es so: „Stadtplaner müssen heute am besten alles vergessen, was sie an der Uni gelernt haben. Es geht nicht um einfache Planungsmethoden, sondern um die Entwicklung von Verfahren, die die jeweiligen Kontexte berücksichtigen.“ Übersetzt heißt das, Planung sollte sich sehr viel mehr mit den konkreten Begebenheiten vor Ort, aber auch mit den Wünschen der Akteure auseinander setzen. „Es reicht eben nicht einen Standort auszuweisen und zu hoffen, dass die Leute von alleine kommen.“

Dies vor Augen, würde in der Politik auch nur nachvollzogen, was in der Wissenserzeugung und der Dienstleistungswirtschaft sich schon längst vollzogen hat: weg von eindimensionalen Leitbildern und hin zu ökonomischen, kulturellen und sozialen Netzwerken.