Scharons Regierung gescheitert

Der israelische Ministerpräsident findet keine Partner für eine kleine Koalition. Nun gibt es Ende Januar doch vorgezogene Neuwahlen. Das stößt auf breite Zustimmung. Expremier Benjamin Netanjahu akzeptiert den Posten des Außenministers

aus Jerusalem ANNE PONGER

Israels Staatspräsident Mosche Katsav hat gestern seine Zustimmung zur Auflösung der Knesset und verfrühten Neuwahlen innerhalb von 90 Tagen gegeben. Zuvor hatte ihn Ministerpräsident Ariel Scharon überraschend informiert, es sei ihm unmöglich, eine stabile kleine Koalition zu bilden. Scharons große Koalition mit der gemäßigten Arbeitspartei war vergangene Woche nach 20 Monaten aufgelöst worden, nachdem die Sozialdemokraten sich geweigert hatten, den Haushaltsentwurf 2003 zu unterstützen.

„Wahlen zu diesem Zeitpunkt ist nicht, was die Nation gerade braucht“, erklärte Scharon auf einer Pressekonferenz in Jerusalem, nachdem er grünes Licht vom Präsidenten eingeholt hatte. „Ich habe alles getan, um Israel angesichts der aktuellen Herausforderungen mit einem so breiten Konsens wie möglich zu führen.“ Nationale Einheit bleibe oberstes Gebot. Sie sei von der Arbeitspartei durch ihren Auszug aus der Koalition auf „unverantwortliche Weise“ verletzt worden.

Nach dem Gesetz müssen Wahlen in Israel an einem Dienstag stattfinden. Deshalb wurde der Wahltermin auf den 28. Januar 2003 festgelegt. Die Israelis werden damit zum dritten Mal in vier Jahren an die Urnen gehen. Die nächsten Parlaments- und Premierwahlen waren ursprünglich für Oktober 2003 geplant.

Am Wochenende noch hatte Scharon versucht, seine derzeitige Minderheitsregierung, die nur noch auf 55 von 120 Abgeordnetenstimmen beruht, zu erweitern. Er hatte Koalitionsverhandlungen mit dem Rechtsaußen-Bündnis „Nationale Union – Unser Haus Israel“ begonnen, das ihm die für eine Mehrheit nötigen sieben Mandate eingebracht hätte. Doch die Fraktion forderte Zusagen, dass der Premier keine linke Partei in jedwede Regierung einladen würde, die nach den nächsten Wahlen entsteht. „Ich habe mir eine Regel gesetzt“, betonte Scharon am Dienstag, „ich werde politischen Erpressungen nicht nachgeben.“

An den weitreichenden politischen Bedingungen des ehemaligen Ministerpräsidenten und Likud-internen Scharon-Rivalen Benjamin Netanjahu war auch zunächst das Angebot gescheitert, „Bibi“ zum Außenminister einer kleinen Koalition zu ernennen. Umso überraschender war am Dienstag die Erklärung Netanjahus, er sei durchaus bereit, Scharons Außenminister in einer Übergangsregierung zu sein. „Da der Premier mit dem Gang in vorgezogene Wahlen den richtigen Schritt tut und uns große Herausforderungen in der internationalen Arena erwarten, bin ich aus persönlichem und nationalem Verantwortungsgefühl willens, den Außenministerposten in der scheidenden Regierung zu übernehmen“, erklärte er mehrere Stunden nach Scharons Ankündigung von Knesset-Auflösung und Neuwahlen. Dennoch wird erwartet, dass Netanjahu, der von 1996 bis 1999 Regierungschef war, sich bei parteiinternen Vorwahlen im November gegen Scharon um den Parteivorsitz bewirbt, um bei Neuwahlen Likud-Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten zu sein.

Eine überwältigende Mehrheit von Fraktionsführern erklärte sich am Dienstag erleichtert über die Entscheidung zugunsten von Neuwahlen. Effi Eitam, Führer der Nationalreligiösen Partei und lautstarker Vertreter der Siedlerbevölkerung, hoffte auf einen Zusammenschluss aller nationalistisch-zionistischen Parteien zu einem Wahlblock, um jeglichen Kompromissideen gegenüber den Palästinensern entschlossen die Stirn zu bieten. Jossi Sarid, Führer der linken Meretz, begrüßte Scharons Versagen mit den Worten, die große Koalition sei die „schlimmste Regierung in Israels Geschichte“ gewesen.