Deutschland in Kommission

Die SPD hat sich beim Rentenstreit durchgesetzt: Beiträge steigen auf 19,5 Prozent. Die Grünen wollen mit einer neuen Kommission das Sozialsystem reformieren. Hartz-Gesetz fertig

BERLIN taz ■ Die Grünen wollen die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung weit stärker reformieren als im Koalitionsvertrag festgehalten. „Angesichts der unsicheren weltwirtschaftlichen Lage ist es ein zu hohes Risiko, die Finanzierung der sozialen Systeme ausschließlich an die Beschäftigung zu koppeln“, sagte Krista Sager gegenüber der taz. Die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion forderte, für die Finanzierung der Sozialsysteme weitere Personengruppen und Einkommensarten einzubeziehen, beispielsweise Selbstständige und Beamte, aber auch Mieten und Zinsen.

Die Grünen wollen diese Pläne mit Hilfe einer Expertenrunde für die Reform der sozialen Sicherungssysteme umsetzen. Dieses Gremium nach Muster der Hartz-Kommission soll Anfang nächsten Jahres mit der Arbeit beginnen und bereits im Herbst 2003 erste Ergebnisse vorlegen. Darauf einigte sich eine Koalitionsrunde in der Nacht zum Dienstag. Eine solche Hartz-II-Kommission war von Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits vorige Woche angekündigt worden. Sie sollte sich ursprünglich jedoch nur mit der Gesundheitsreform beschäftigen. Als Chef der neuen Kommission ist der Sozialexperte Bert Rürup im Gespräch.

Ähnliche Expertenrunden hatte Schröder in der vorigen Legislaturperiode nicht nur zur Reform des Arbeitsmarktes (unter Leitung von Peter Hartz), sondern auch schon zur Bundeswehrreform (Richard von Weizsäcker) und zur Einwanderung (Rita Süssmuth) installiert.

Die Einsetzung der Sozialkommission ist fast der einzige Erfolg, den die Grünen in der Koalitionsrunde verbuchen konnten. Ansonsten hat sich die SPD auf ganzer Linie durchgesetzt. Der Rentenbeitrag wird zum 1. Januar von 19,1 auf 19,5 Prozent erhöht. Die Grünen wollten den Anstieg auf 19,3 Prozent begrenzen. Auch bei der Ökosteuer konnten die Grünen ihre Vorstellungen kaum durchsetzen.

In der grünen Bundestagsfraktion gab es gestern Unmut über die Einigung bei den Renten und bei der Ökosteuer. Parteichef Fritz Kuhn räumte eine Niederlage bei den Rentenverhandlungen ein. „Kurzfristig haben wir uns nicht durchgesetzt“, sagte er vor der Fraktion. Die Einsetzung der Reformkommission bezeichnete Kuhn dagegen als einen Erfolg.

Der Gesetzentwurf zur Reform des Arbeitsmarktes ist seit gestern fertig. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will die entscheidenden Teile noch vor Weihnachten durch Bundestag und Bundesrat bringen. Arbeitslose können dem Gesetz zufolge vorübergehend untertariflich bezahlt werden, wenn Zeitarbeitsfirmen sie in neue Jobs vermitteln. JENS KÖNIG, HANNES KOCH

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