Energie zweiter Ordnung

Elektroakustische Kleinst-Geschehnisse im Hintergrund und Nadeln, die alles abtasten, nur keine Plattenrillen: Das Kölner Label Staubgold zu Gast in Hamburg

„Energy and information / The process of observation‘‘ singt Ras Donovan in Gravity. Die Eleganz des Stückes addiert sich aus der Stimme des Reggae-Sängers und der Programmierung von Mapstation alias Stefan Schneider, ansonsten auch Bassist und Keyboarder bei dem Düsseldorf-Berliner Trio To Rococo Rot. Die akustische Information von Mapstation besteht aus Energien, die sich aus der Beobachtung von Reggae und Dub speisen. Zu sagen, Schneider habe mit A Way To Find The Day sein Dub-Album gemacht, führt dabei in die Irre. Denn die unmittelbare physische Präsenz dieser Ende der 60er Jahre auf Jamaica entstandenen Musik fehlt völlig.

Schneider misstraut direktem Soundimport und nimmt lieber nur einige wenige Grundzüge der Musik und überführt diese in seine Welt, in der synthetische Sounds wie Kleckse aufs Tableau getupft sind. „Energy and information / The process of observation“: Was Mapstation mit Dub und Reggae macht, wird nachvollziehbar auf einem Stück seines Labelkollegen Ekkehard Ehlers: eine von zwei Arbeiten, die Bezug nehmen auf den Filmemacher John Cassavetes. Zehn Minuten lang wird ein Jubel aus Streichern geloopt, das Klangbild scheint naturalistisch, selbst die Bögen sind erkennbar.

Genaues Hinhören aber zeigt: Im Hintergrund schaffen Effekte der Verzögerung einen Fluss aus Kleinst-Geschehnissen. Nach etwa sechs Minuten beginnt Ehlers damit, das Konkrete – also Streicherbögen und differenziert wahrnehmbare Instrumente – in diesen Fluss münden zu lassen. Aus dem frequenzmäßigen Berg-und-Tal der tradierten Form „Streichquartett“ wird nach und nach ein simpler Strich, der das ganze Material in sich konzentriert.

Während Abstraktion nur eine von vielen taktischen Ansätzen von Ehlers Plays-Serie ist, die in diesem Jahr auf CD gebündelt erschienen ist, eint dieser Ansatz doch die sonst sehr unterschiedlich klingenden Label-Genossen der Kölner Staubgold-Schmiede, die gerade gemeinsam durch die Lande ziehen. Bei Reuber muss man die Töne suchen, so vereinzelt scheinen sie in der Gegend rumzuliegen. Das Institut für Feinmotorik schließlich ist ein DJ-Ensemble, dessen Nadeln alles abtasten, nur keine Schallplatten.

Und: So sehr Mapstation auch erklärter Reggae-Fan ist, man wird keine Trompete bei ihm hören; und zum Ausmachen der typischen Dub-Effekte bedarf es wohl empfindlicher Gerätschaften. Christoph Braun

mit Josef Suchy und DJ Markus Dettner: Sonntag, 22 Uhr, Click (Nobistor 24)