Etwas blutleerer Mythos

Inspirierte Roland Barthes zu seinem Aufsatz „Die Römer im Film: Joseph L. Mankiewicz‘ Verfilmung von Shakespeares „Julius Caesar“ mit James Mason und Marlon Brando in der Reihe „Play it Again“

Der Witz von Historiendramen besteht nicht in einer möglichst authentischen Rekonstruktion geschichtlicher Ereignisse. Er liegt vielmehr in der ästhetischen Reflexion über Sinn und Unsinn von Geschichte selbst. William Shakespeares Paradebeispiele effektvoll inszenierter Geschichtsphilosophie gelten in dieser Disziplin als Klassiker. Nicht nur im Theater, sondern auch im Kino.

Grund genug eigentlich, Joseph L. Mankiewicz‘ Julius Caesar von 1953 in der Reihe „Play it Again“ wieder auf die Leinwand zu bringen. Als das Stück seinerzeit am Broadway anhaltenden Erfolg hatte, witterte Hollywood klingelnde Kinokassen und ließ das Stück im Originaltext und mit einigen hochkarätigen Schauspielern in Szene setzen. Neben James Mason und Marlon Brando ist auch der damalige englische Theaterstar John Gielgud mit von der Partie.

In Shakespeares vermutlich 1599 entstandener Bearbeitung des Caesar-Stoffs geht es wie in fast allen seinen Tragödien darum, das Motiv der Rache und das damit verbundene Problem von Schuld und Sühne in einen Diskurs um Moral und Machtgier einzubetten. Caesar, nach dem Sieg über seinen Rivalen Pompeius zum Diktator auf Lebenszeit gewählt, ruft durch seinen Hang zur Alleinherrschaft die vermeintlichen Verteidiger der Demokratie auf den Plan. Als er deren Verschwörung in den sprichwörtlich gewordenen Iden des März zum Opfer fällt, gelingt es Caesars politischem Ziehsohn Marcus Antonius in einer demagogisch exemplarischen Rede, einen Teil des Volkes von der Niedertracht der Verschwörung zu überzeugen. Im darauf folgenden Bürgerkrieg wird Marcus Antonius zu Caesars Racheengel und die Verschwörer Brutus und Cassius flüchten nach verlorener Schlacht in den Freitod.

Dieser desillusionierenden Perspektive bleibt Mankiewicz‘ Verfilmung treu. Erstaunlich, dass diese geschichtspessimistische Haltung lediglich acht Jahre nach dem für die USA siegreichen Ende des Zweiten Weltkriegs beim Publikum so gut ankam. Zudem droht der Film an den gewählten Mitteln der Inszenierung zu scheitern. Das fast zweistündige Epos erinnert oftmals an eine mitgeschnittene Theateraufführung und verzichtet fast gänzlich auf spezifisch filmische Mittel der Darstellung. Diesem Umstand ist eine nur schwer zu leugnende Langatmigkeit geschuldet, für die zum Glück das gute Schauspiel der Darsteller entschädigt.

Wie im Fall von Marlon Brando. Der war nach etwa 800 Broadway-Vorstellungen und dem darauf folgenden Kinoerfolg von A Streetcar Named Desire zum neusten Stern an Amerikas Schauspielerhimmel avanciert. Um sich von der Figur des Stanley Kowalski zu emanzipieren, nahm er die Rolle des Marcus Antonius an und lieferte eine in ihrer Zurückhaltung beeindruckende Performance der Leichenrede auf den ermordeten Caesar.

Bedauerlicherweise leidet der Film darunter, in vieler Hinsicht so authentisch wie möglich wirken zu wollen. Roland Barthes hat in seinem Aufsatz „Die Römer im Film“ auf die unnatürliche Natürlichkeit hingewiesen, mit der Julius Caesar seinem Publikum historische Echtheit vortäuscht, wo es sich um Kunst handelt. Kein bildgewaltiges Entertainment, aber auf jeden Fall was für Hobbysemiologen.

Matthias Seeberg

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