Künstler sind besser

Ist das herkömmliche Schulmodell am Ende? Reinhard Kahls Dokumentation „Die Dritten kommen – Eine Schule erfindet sich neu“ gibt einige vorläufige Anworten

Müssen Lehrer wirklich sein? Nicht aus der Perspektive sparwütiger Politiker, sondern aus der von Schülern und Lehrern stellt Reinhard Kahl diese Frage in seinem Film Die Dritten kommen – Eine Schule erfindet sich neu. Die Dokumentation über ein Modellprojekt an einer Hauptschule in Berlin ist heute im Lichtmeß zu sehen.

Die „Dritten“, das sind Bildhauer, Schauspieler, Tontechniker, Programmierer oder ein Akrobatiklehrer. Die Ferdinand-Freiligrath-Schule holte sie Anfang der 90er probeweise für freiwilligen Unterricht an Bord. Denn die Kreuzberger Hauptschule steckte erheblich in der Krise. Vernagelte Fenster, gewalttätige Auseinandersetzungen, unmotivierte und indolente Schüler, von denen noch dazu fast 50 Prozent vor dem Abschluss abgingen.

Für das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der Pisa-Studie wurde eine genauso schnelle wie verkürzte Erklärung gefunden: Schuld seien die schlecht deutsch sprechenden Ausländerkinder. Kahls Dokumentation, 2000 fertig gestellt, also vor Veröffentlichung der Studie, entdeckt ganz andere, strukturelle Probleme. Offenbar ist die Situation im herkömmlichen Unterricht nicht geeignet, die Schüler zum Lernen zu motivieren. Denn das Projekt zeigte, dass die so genannten Dritten sehr wohl in der Lage waren, die Schüler in ihren Bann zu ziehen.

Die zunehmende berufliche Perspektivlosigkeit in Kreuzberg allein kann also nicht der Grund für die Unterrichtsverweigerung sein. Eher schon, so legt es einer der Interviewten nahe, sei – neben den Methoden der Lehre – der Klassenunterschied zwischen zumeist verbeamteten Lehrern und den Kindern von Arbeitern und Arbeitslosen dafür verantwortlich zu machen.

Kahls Film nimmt zwar deutlich Partei für das Projekt, lässt sich aber zugleich viel Zeit bei der Abwägung. Lehrer kommen zu Wort, die die Schule nach einer gewissen Zeit verlassen haben, weil sie keine Verbesserung in dem neuen Unterrichtsmodell sehen konnten. Die Finanziers – Vertreter von BMW und anderen Unternehmen – breiten sich aus über eine von ihnen protegierte Schulform der Zukunft, die ohne Noten auskommt und teamorientierte, kreative sowie verantwortungsbewusste Menschen hervorbringe. Die Initiatorin, inzwischen Schulleiterin, begeisterte Schüler und „Dritte“ berichten von ihren Erfahrungen. Nur die Eltern werden nicht befragt. Doch auch ohne sie ist die Dokumentation förmlich zum Krimi geraten über das Gelingen oder Misslingen des Modellversuchs. Christiane Müller-Lobeck

heute, 20 Uhr, Lichtmeß (für Schüler freier Eintritt)