„Großer Schaden für die Kulturszene“

Nach Halbierung der Mittel für Kunst im öffentlichen Raum der konsequente nächste Schritt: Kulturbehörde kürzt die 1981 eingeführten Künstler-Arbeitsstipendien von zehn auf fünf und steigt nur zögerlich in die Sponsorenwerbung ein. Künstler und Galerien protestieren massiv

von PETRA SCHELLEN

Es ist so bedauerlich, dass man immer plattere Phrasen bemühen muss, um dem Senat einen Spiegel vorzuhalten. Trostlos auch, dass man sich damit auf ein Argumentationsniveau begibt, das längst überwunden schien. Denn dass Toleranz auch die des Andersdenkenden bedeutet – man hat es schon gehört. Und dass der Staat Verantwortung für nicht Gewinn bringende Sparten tragen möge – man hielt es für ein lange verinnerlichtes Gebot.

Doch die Kulturbehörde gibt sich viel Mühe, diese Prinzipien zu durchbrechen und strebt in vor-sozialstaatliche Ären zurück, in denen Wohl und Wehe kultureller Einrichtungen stark von Sponsoren-Gnade abhingen. Stetig verweist nämlich Kultursenatorin Dana Horáková auf den Segen privaten Mäzenatentums – doch wenn es hart auf hart kommt, bleibt der leider aus: Man habe keine Sponsoren für weitere Künstler-Arbeitsstipendien aufgetrieben, heißt es aus der Behörde. Daher könne man ab 2003 – anstelle der seit 1981 üblichen zehn – bloß fünf Stipendien vergeben. Solch Gebaren erinnert ein klein wenig daran, dass selbige Behörde jüngst der Kunst im öffentlichen Raum die Hälfte der Mittel strich; boshaft, wer darin einen Feldzug gegen junge Kunst sehen möchte.

Zugegeben: Problematisch war die Finanzierung der Stipendien – ein Jahr lang monatlich 818 Euro inclusive Abschluss-Ausstellung und Katalog für in Hamburg ansässige KünstlerInnen – seit 1999, dem Jahr, in dem Kultursenatorin Christina Weiss die behördliche Stipendienförderung auf fünf halbierte. Aufgrund des Widerstands der Szene sammelte sie die restlichen fünf dann aber eigenhändig bei privaten Sponsoren ein. Auch 2000 und 2001 finanzierte die Behörde je fünf, 2002 wieder sieben Stipendien; von den verbleibenden finanzierten je drei die Hubertus Wald-Stiftung, die übrigen kamen von Privatiers.

Doch die Hubertus Wald-Stifung hatte sich per Kooperationsvertrag nur für drei Jahre festgelegt. Und dass sich Christina Weiss bei den Kunstschaffenden für eine Verlängerung verbürgt hatte, ist leider nirgends schriftlich fixiert. Auch Günter Hess, Geschäftsführer der Hubertus Wald-Stiftung, will weder bestätigen noch dementieren, dass derlei abgesprochen war.

Tatsache ist jedenfalls, dass von 1981 bis 2002 je zehn Stipendien zur Verfügung standen – „eine besonders für junge Künstler, die so ein Jahr lang relativ sorgenfrei leben und ein Werk aufbauen können, wichtige Maßnahme“, sagt die Ex-Stipendiatin und Edwin-Scharff-Preisträgerin Nicola Torke.

Schriftlichen Protest – die Briefe liegen der taz vor – haben deshalb der Berufsverband Bildender Künstler (BBK), die Arbeitsgruppe bildende Kunst, die Arbeitsgemeinschaft der Hamburger Galerien sowie der Auswahlausschuss des Arbeitsstipendiums eingelegt: „Das Stipendium ist eine der bundesweit erfolgreichsten Fördermaßnahmen, die etliche international renommierte Künstler hervorgebracht hat, von denen viele inzwischen Professuren und Lehraufträge haben“, sagt Ausschuss-Mitglied und Kunsthaus-Leiter Claus Mewes.

Der BBK befürchtet einen weiteren Exodus hiesiger KünstlerInnen, die Arbeitsgemeinschaft der Galerien schließt sich an: Das Stipendium sei wichtiger Bestandteil der Künstlerförderung, schreibt deren Sprecherin Renate Kammer: „Die Ihrem Haushalt eingesparte Summe von 19.600 Euro steht in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den Sie mit dieser Maßnahme anrichten.“

„Diese Maßnahme bedeutet einen gewaltigen Einschnitt in die Infrastruktur der Künstlerförderung. Denn letztlich profitieren auch Häuser wie die Kunsthalle, die in ihrer Reihe ,Standpunkte‘ junge Hamburger zeigt, von den Stipendiaten“, sagt auch Harald Rüggeberg, Sprecher der Arbeitsgruppe bildende Kunst.

Profunde Argumente, doch die Behörde zögert: Ja, die zum Dezember einzustellende neue Referentin für Kunst – Nachfolgerin Achim Könneckes – werde sich vorrangig der Suche nach Sponsoren widmen, heißt es dort. Denn „avisiert ist natürlich schon die Aufstockung der Stipendien auf acht beziehungsweise zehn“, betont Sprecher Andreas Ernst auf Nachfrage.

Der November wird also tatenlos vergehen. Und im Dezember müsste dann schon eine Fundraising-Spitzenkraft her, um kurz vor Weihnachten noch fünf Mäzene für 2003 zu gewinnen. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob Horáková, Kuratoriumsmitglied der Hubertus Wald-Stiftung, Herrn Wald – derzeit massiv in einem Kunsthallen-Projekt engagiert – nicht hätte bitten können, für die Stipendiaten noch etwas draufzulegen.