Mit Hornfrisur und Spitzschuh

Design statt Anarchie: Die Leningrad Cowboys zeigten bei ihrem (leider) grundsoliden Konzert in Oldenburg, dass man nach einem guten Jahrzehnt im Geschäft wohl oder übel zum Vollprofi wird. Ihr Ruhekissen dabei: Einmal Kult, immer Kult

So schlecht wie einst können die „Leningrad Cowboys“ nicht mehr singen

Der Witz ist ja eigentlich schon völlig totgeritten und ausgeweidet: Die „Leningrad Cowboys“ machen amerikanischen Roch‘n‘Roll so, wie ihn sich russische Hinterwäldler vorstellen. Alles wird zur Karikatur vergröbert: Die Schmalzlocken sind riesige Haar-Hörner, die Spitzen der Schuhe sind länger als die Füsse in ihnen, die Musik ist plakativ, roh – und im Idealfall richtig schön schlecht.

Die Idee hatte Aki Kaurismäki 1989, als er sich in den Kopf gesetzt hatte, mal zur Abwechslung einen richtig schön schlechten Film zu machen. Das wurde dann „Leningrad Cowboys Go Amerika!“ – sein kommerziell größter Erfolg. Deshalb spielte die eigentlich nur für diesen Film erdachte und formierte Band weiter und wurde zur Kultcombo. 1993 gab es als Höhepunkt eine Tournee mit dem Chor der Russischen Roten Armee, die Kaurismäki mit dem Dokumentarfilm „Total Balalaika Show“ dokumentierte, doch schon 1994 brach die Erfolgswelle dann mit Kaurismäkis drittem Film über die Band „Leningrad Cowboys Meet Moses“, dem man bei jeder Einstellung anmerkt, wie ungern er ihn gedreht hat.

So ist dies wohl der bislang einzige wirklich schlechte Film des Regisseurs. Er floppte auch an den Kassen, aber die Gruppe spielte weiter, angeblich mit riesigem Erfolg in ihrem Heimatland Finnland, aber auch in Deutschland haben sie viele treue Fans. „Einmal Kult, immer Kult“ scheint hier die Devise, und so konnte die Band (von der einem immerhin noch zwei Gesichter aus dem Film bekannt vorkommen) in Oldenburg den Ziegelhof zwar nicht ganz, aber doch halbwegs füllen (knapp Tausend gehen rein). Im Publikum fand man viele biertrinkende Lederjackenträger um die vierzig, darunter auch den Motorradverein „Free Eagles – Germany“, die sich dann aber enttäuschend ordentlich benahmen.

Und die Band bot natürlich, was erwartet wurde: Hörner in Haar und Schuh, der Schlagzeuger knüppelte in einem riesigen Traktor, dessen Auspuff manchmal qualmte, ein Mikro war in einem Hühnerhintern verborgen – Kompliment an den Designer! Nur so schlecht wie einst können die „Leningrad Cowboys“ nun nicht mehr singen. Nach einem guten Jahrzehnt wird man wohl oder übel zum Vollprofi, und so war das Konzert (entgegen dem ursprünglichen Konzept) grundsolide.

Auch der Witz ist knallhart durchkalkuliert: Natürlich lacht man in Deutschland, wenn sich die langsame Passagen in Barry Ryans „Eloise“ als der Volksmusikantenhit „Herzilein“ entpuppt (musikalisch übrigens recht geschickt gelöst). Natürlich ist die walkürenhafte russische Sängerin Ludmilla komisch und natürlich hat auch sie ein (rotes, steil nach oben strebendes) Haarhorn. Zwei „Go-Go Girls“ mit riesigem Dutt, zwei Bläser mit schmalzigem Mariachi-Sound, ein Gitarrist, der in der Zugabe mit einer Mega-Afro-Perücke den Jim Hendrix gab und leider auch noch eine Elvis-Parodie – die Band wusste, womit man das Publikum kriegen kann. Aber von dem anarchisch, bösen Witz der ersten Jahre war da nichts mehr zu spüren. Jetzt regiert das Design.

Kaurismäki sind die „Leningrad Cowbowy“ inzwischen wohl eher peinlich, aber trotzdem hat er es schon wieder gemacht: In seinem neuen Film „Der Mann ohne Vergangenheit“ spielt die Gruppe Marko Havisto & Poutahaukat als Heilsarmeekapelle zuerst Hymnen, dann finnische Tangos und schließlich den skandinavischen Blues. Zur Premiere des Films tritt die Band live auf, zum Beispiel kommenden Mittwoch in der Bremer Schauburg. Genau so hat es mit den „Leningrad Cowboys“ auch angefangen. Wilfried Hippen