die bedrohung des abendlands von SUSANNE FISCHER
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Ich gehöre zu den Deppen, die technische Neuerungen erst verteufeln, um sie dann später desto inniger zu lieben, allerdings erst drei Jahre nach allen anderen. Während dieser Frist quälen sie die technische Avantgarde mit besorgten, kulturkritischen Anmerkungen. „Was, du benutzt eine Teflonpfanne? Aber davon geht doch das Abendland unter!“ So ging es mir mit Computern, dem Internet, Schnurlostelefonen und Handys. Bloß eine Mikrowelle habe ich immer noch nicht; auch keinen elektrischen Wäschetrockner. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie nicht genug nervenzerfetzende Geräusche erzeugen.

Mein Schnurlostelefon habe ich stolz mit ans Bett genommen; es könnte ja sein, dass nachts ein Einbrecher kommt. Nachdem ich zum dritten Mal das piepende, nach Stromversorgung lechzende Gerät morgens um vier in den Schrank gewühlt habe, zwischen die schalldämpfenden Pullover, habe ich den Unfug gelassen. Stattdessen besuchte ich einen Selbstverteidigungskursus. Mit den dort gewonnenen Fähigkeiten kann ich mich bestimmt gegen jeden Einbrecher bis zum Telefon durchschlagen. Die einzigen Kriminellen, die sich seitdem an meinem Eigentum vergingen, montierten von meinem Auto die Räder ab und ließen es auf die Achsen fallen. Dafür mussten sie das Haus nicht einmal betreten, und ich schlief unterdessen viel zu tief, um nach dem Telefon zu suchen.

Wir haben uns nämlich zwei schnurlose Apparate zugelegt, damit wir mit dem einen den anderen anrufen können, wenn wir ihn nicht finden. Das setzt allerdings voraus, dass wir mindestens ein Gerät finden, und das ist, finde ich, auch schon zu viel verlangt. Deswegen habe ich ja inzwischen auch ein Handy, mit dem ich das Schnurlose anrufen kann, obwohl ich Handys immer doof und prolo fand. Ja, ich bin gewiss eine originelle Person.

Als ich mir mein Handy besorgte, fragte mich der Verkäufer, was es denn sein sollte. „Egal, Hauptsache, es ist von Nokia und sieht cool aus“, antwortete ich. Stolz nahm ich das Gerät mit auf die nächste Dienstreise, die so auch gleich viel cooler wirkte. Mein Kollege allerdings brach in albern vorgetäuschter Verzweiflung zusammen – ein Handy, um Gottes willen. Nachts um eins brach ich dann im Hotelzimmer zusammen, als das Handy klingelte: Tod und Not daheim? Katastrophen? Einbrecher?

Es war ein Anruf für meinen Kollegen: das Computerproblem sei behoben, er solle sich weiter keine Sorgen machen. Falls er sich Sorgen gemacht hatte, hatte er das abends bei unserem ausgedehnten Ausflug in die sächsische Weinwelt gut zu überspielen gewusst. Tatsächlich lag aber die Nachricht, dass er sich Sorgen machen müsste, noch unabgehört in meiner Mailbox herum. Der Anrufer gab mir dann noch den guten Tipp, mein Handy nachts abzuschalten. Ich überlegte, ob ich den Kollegen aus seinem Hotelzimmer herausbrüllen sollte, um ihm zu sagen, dass er sich überhaupt keine Sorgen machen müsste. Aber dann fiel mir ein, dass man sich immer um irgendetwas Sorgen machen muss.