in fußballland
: CHRISTOPH BIERMANN über den Bayern-Hohn

In schlechter Gesellschaft

Christoph Biermann, 41, liebt Fußball und schreibt darüber

Warum dieser Hass, fragte mich der Sportchef einer angesehenen Regionalzeitung und Freund ausgiebiger Gitarrensoli, als ich ihm von meinem Quietschvergnügen über das Ausscheiden des FC Bayern München aus allen internationalen Wettbewerben erzählte. Dabei ging es doch nicht um Hass, sondern um Klugscheißertum, weil ich das Scheitern der Bayern früh genug vorausgesagt hatte, um mir darauf etwas einbilden zu können. Andererseits mochte ich klammheimliche Freude nicht leugnen, die zwar kein menschlich wertvolles Gefühl ist, aber zweifellos ein vitaler Bestandteil der Fußballkultur.

Außerdem war ich eigentlich der Ansicht, dass meine Schadenfreude auf einem festen ideologischen Fundament ruht. Schließlich scheiterte der FC Bayern in einer Welt, die er selbst hat erstehen lassen, um seine Vormachtstellung nachhaltig festzuschreiben. Die Champions League ist dazu da, dass die Reichen noch reicher werden und ihren Vorsprung vor den Armen ausbauen. Wer dann die Schlüssel zu dem Geldschrank verliert, den er selbst aufgestellt hat, hat sich allen Spott redlich verdient.

Also geht es um analytischen Hass, sagte der Sportchef mit der Mähne eines Gitarrengottes und schüttelte erneut den Kopf. Ich schüttelte meinen auch, weil es wirklich nicht um Hass ging, sondern schlimmstenfalls um Schadenfreude, die aber kaum jemand teilen mochte. Der FC Bayern hat sich für viele Fußballfans nämlich solchen Gefühlen weitgehend entzogen. Kölner mögen sich die Hände reiben, wenn Leverkusen scheitert, Fans von St. Pauli bereiten Pleiten des HSV Vergnügen und umgedreht. Aber die Bayern? Längst ist der Klub auf einen fernen Planeten übergesiedelt. Seine Krisen werden verhandelt, als würde es gerade Daimler-Benz an den Kragen gehen und der Wirtschaftsstandort Deutschland endgültig geschlossen werden.

Doch nicht nur deshalb war mir das bisschen Spaß an der Schadenfreude bald vergangen. Die Bundesliganiederlage der Bayern in Bremen ist mir bereits wieder egal gewesen, und nicht einmal die Aussicht ihres Sturzes von der Tabellenspitze mag mich noch erheitern, denn schlimmer als der FC Bayern sind seine Kritiker.

Die Debattierzirkel im Fernsehen sind während der KRISE DES FC BAYERN zu Geisterbahnen geworden, die Schaudern auslösen. Da randalieren die üblichen Verdächtigen unter Anführung von Paul Breitner über die Kanäle, dass es nur so ein Stumpfsinn ist. Neben Breitners gedoptem Blut-und-Boden-Gefasel darf sich Lothar Matthäus um Kopf und Kragen reden. Franz Beckenbauer gar wurde zur Chimäre eines bösen Drogentraums. Hinter seinem Sofathron loderte der Kamin und vorne im Bild erigierte uns ein Mikrofon des Bezahlsenders entgegen, der des Kaisers Gerede halbexklusiv hat.

Man muss schon ein Herz aus Stein haben, um im Angesicht solchen Irrsinns nicht augenblicklich Mitleid zu entwickeln. Wie werden Ottmar Hitzfelds Magenwände diesen Terror überstehen? Findet Oliver Kahn den Weg in diese Welt zurück? Wird Karl-Heinz Rummenigge bald mit irrem Blick durch die Wälder irren? Ist das noch Fußball oder schon offene Psychiatrie – mit Breitner als sadistischem Pfleger? Das ganze Vergnügen an Pleiten, Pech und Pannen in München ist einem dadurch natürlich gründlich verdorben. Fast will ich schon, dass die Bayern endlich wieder gewinnen. Am besten sogar von Sieg zu Sieg eilen und mit 45 Punkten Vorsprung deutscher Meister werden. Damit endlich Ruhe ist! Damit die Kinder sich nicht mehr erschrecken und schlecht schlafen, weil wieder dieser Breitner im Fernsehen war und mit glühenden Augen von leeren Köpfen gefaselt hat. Nein, den FC Bayern kann man nicht verhöhnen, weil man damit in schlechte Gesellschaft gerät. Nicht einmal klammheimliche Schadenfreude für den Klub ist möglich, weshalb wir die Bayern einfach vergessen und den Bemitleidenswerten überlassen, die nichts Besseres haben.