Bereichert an den Roten Teufeln

Mitglieder des FC Kaiserslautern verweigern den ehemaligen Führungskräften um Atze Friedrich die Entlastung

KAISERSLAUTERN taz ■ Fünf Minuten vor Mitternacht verließen die zwei Männer, die sechs Jahre lang beim 1. FC Kaiserslautern geherrscht hatten, die Barbarossa-Halle. Jürgen „Atze“ Friedrich, bis vor kurzem Vorstandsvorsitzender, guckte dabei weder links noch rechts, nur auf den Boden. Dr. Robert Wieschemann, der Aufsichtsratsvorsitzende, den sie „Lenin“ nennen und der nach einer peinlichen Stotternummer im DSF zurückgetreten war, versuchte krampfhaft beschäftigt zu wirken und nestelte am Handy herum. Dabei ging es ihm genauso wie seinem Freund „Atze“ nur darum, ungestört und vor allem ohne Blickkontakt aus dem Saal und nach Hause zu kommen.

Denn die Augen hinter den beiden sagten nichts Gutes. So schaut man Leuten hinterher, wenn ein Richter ein hartes, aber gerechtes Urteil gesprochen hat und die Angeklagten in die Zelle abgeführt werden. Friedrich und Wieschemann gingen zwar als freie Leute, doch ihr Leben hat sich verändert. Sie werden für eine Weile personae non gratae sein in der kleinsten Bundesligastadt sein, von Friedrich und Wieschemann fühlen sich die Menschen hier betrogen und hinters Licht geführt. Vom lieben „Atze“ noch viel mehr als von „Lenin“. Denn während der Anwalt und Konkursverwalter sein Ehrenamt vor allem zu gesellschaftlicher Prominenz genutzt hat, entpuppte sich der frühere Kapitän der „Roten Teufel“ und Boutiqenbesitzer als habgieriger Geselle, der seinen Präsidentenjob vor allem als persönliche Vorteilnahme interpretierte. Für sich, aber auch im Sinne des Kollegen und Geschäftsführers Gerhard Herzog.

Bis zu jenem entlarvenden TV-Auftritt Wieschemanns am 1. September, in dessen Folge jener selbst, Trainer Andreas Brehme und dessen Mentor Friedrich ihre Jobs verloren, hatte auch Hubert Kessler zu dieser Führungsclique gehört, die vor sechs Jahren die Macht auf dem Betzenberg übernommen hatte und bei der es sich zufälligerweise um den persönlichen Freundeskreis der Rehhagel-Familie handelt. Der ehemalige Präsident, ein recht einfach gestrickter und vor allem mitteilungsbedürftiger Zeitgenosse, versuchte nun als Letzter aus jener Tafelrunde um das prominente Trainer-Ehepaar seinen „Funktionärs“-Kopf zu retten. Indem er seine letzte Aktion als kommissarischer Vorsitzender des Aufsichtsrats publik machte: Am Abend vor der Generalversammlung hatte dieses Gremium einen Anwalt beauftragt, Anzeige gegen Wieschemann, Friedrich und Herzog zu erstatten, nachdem ein Schriftstück aufgetaucht war, in welchem dieses Trio den Vertrag des Geschäftsführers um ein Jahr verlängert hatte – ohne Wissen des Aufsichtsrats.

Solche Vorgänge müssen über Jahre an der Tagesordnung gewesen sein, und sie wären wohl nie ans Tageslicht gekommen ohne die sportliche und finanzielle Krise, in welche der Fritz-Walter-Klub geraten ist, weil er seine Arena WM-gerecht ausbauen will. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der Einsatz von Ministerpräsident Kurt Beck, dessen souveräne Moderation die Wiedereinführung der Lynchjustiz im Land der „Roten Teufel“ verhindert hat. Weil er die Schlammschlacht abblockte und sein Versammlungsziel („Es muss beim FCK einen Neuanfang geben“) ohne befürchtete Imageschäden durchgezogen hat, stieg der Landesvater aus Mainz zusammen mit dem künftigen Vorstandsvorsitzenden Rene C. Jäggi am frühen Morgen als großer Retter aus der Bütt.

Beck und der Sanierer aus der Schweiz brauchen sich bei ihrem Engagement für den FCK nicht länger die Hände schmutzig zu machen bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. Das obliegt nun Anwälten und dem vereinsinternen Untersuchungsausschuss. Nachdem die Mitglieder ihren Führungsgremien keine Entlastung erteilten, stehen denen Ermittlungen wegen des Verdachts von Betrug und Untreue ins Haus. Oder ist das einfach nur Chuzpe, wenn Friedrich fristlos kündigt, aber sich sein stattliches Jahresgehalt (knapp 500.000 Euro) bis zum Jahresende auszahlen lässt und danach eine Abfindung kassiert: 100.000 Euro, getarnt als Beratervertrag? MARTIN HÄGELE