DER FRANZÖSISCHE INNENMINISTER HAT DEN ARMEN DEN KRIEG ERKLÄRT
: Hart, aber nutzlos

In Frankreich packt ein Innenminister hart zu: Er schließt das Flüchtlingszentrum von Sangatte am Kanaltunnel; er stellt tausende neuer Polizisten ein, obwohl Frankreich längst eine höhere Polizeidichte als seine Nachbarn hat; und er droht Bettlern, Hausbesetzern, Nomaden, Prostitutierten und herumlungernden Jugendlichen mit drakonischen Strafen, die bis zu Gefängnis und Abschiebung reichen.

Nicolas Sarkozy, dem starken Mann der rechten Pariser Regierung, ist das nicht vorzuwerfen: Er tut, was sein Staatspräsident versprochen hat. Schließlich war der Kampf gegen die angebliche Unsicherheit in Frankreich sowie den „Verlust der republikanischen Autorität“ Jacques Chiracs Hauptwahlkampfversprechen – wenn es auch populistische Manöver waren, um von sozialen und internationalen Themen abzulenken.

Die Frage, der sich Sarkozy hingegen stellen muss, ist die nach dem Nutzen seiner harten Politik. Die Antwort lautet: Sie nutzt nichts. Die Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und anderen Krisengebieten der Welt, die bis jetzt eine vorübergehende Notunterkunft in Sangatte fanden, werden weiterhin nach Großbritannien streben. Sie werden künftig bloß auf der Straße übernachten müssen. Die Arbeit auch der französischen Polizei wird nicht besser, wenn nur mehr Polizisten eingestellt werden. Kein Bettler wird dank Sarkozy eine Arbeit, kein Obdachloser eine Wohnung finden, und keine Prostituierte wird durch diesen Innenminister den Verbrecherring los, der ihr im Nacken sitzt. Sarkozys Opfer werden in die Illegalität abgedrängt. Dorthin, wo das Recht des Stärkeren gilt und es keine „republikanische Autorität“ gibt.

Innenminister Sarkozy verschiebt Probleme, anstatt sie zu lösen. Er konzentriert sich auf jene Stellen der Gesellschaft, wo die sozialen Missstände am offensichtlichsten sind. Das Obszöne an dieser Politik ist, dass sie auf dem Rücken von rechtlosen Minderheiten geschieht, von Menschen, die am Rand stehen und die sich kaum wehren können. Es ist eine Politik, die den Armen den Krieg erklärt. DOROTHEA HAHN