Die Grünen sind noch nicht in Rente

Die Partei gibt sich nach der Niederlage gegen die SPD bockig und selbstbewusst: Sie will eine neue Rentenreform

BERLIN taz ■ Die Niederlage ist nichts, Kommunikation ist alles. Daran glauben die Grünen. Also reden und reden sie, auf dass ihr „Zwergenaufstand“ (Friedrich Merz) gegen die SPD im Streit um die Rentenerhöhung als große Revolution erscheine. Dass sich die SPD gegen den Willen der Grünen durchgesetzt und die Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent erhöht hat, ärgert die Ökopartei zwei Tage später zwar noch. Aber viel lieber spricht sie von der neuen Expertenkommission, die nach Auffassung der Grünen jetzt alle Sozialsysteme grundlegend reformieren soll. „Uns ist es gelungen, die Reformblockade der SPD zu durchbrechen“, sagt Volker Beck, der parlamentarischer Geschäftsführer.

Dass die SPD klarstellt, diese Hartz-II-Kommission werde sich vor allem mit der Reform des Gesundheitswesens beschäftigen, bei der Rente habe man den großen Strukturwandel schließlich schon hinter sich? Stört die Grünen nicht. „Wenn ich Sozialdemokrat wäre, würde ich das auch behaupten“, sagt Beck. Er glaubt, dass die SPD-Spitze nur Angst hat, ihren eigenen Leuten reinen Wein einzuschenken und deswegen die Bedeutung der Kommission herunterspielt. Mehrere Spitzengrüne, die bei der Koalitionsrunde am Montagabend dabei waren, berichten, dass der Kanzler für einen weitergehenden Auftrag der Kommission viel aufgeschlossener war als andere Sozialdemokraten. Kämpfen die Grünen also Hand in Hand mit Schröder gegen die konservativen Kräfte in der SPD?

Da scheinen die Grünen ihren Kanzler ein wenig überzuinterpretieren. Viele grüne Abgeordnete haben Schröders Haltung auch ganz anders verstanden und in der Fraktionssitzung am Dienstag gegen den Rentenkompromiss gestimmt. Die einen Teilnehmer berichten von rund einem Drittel Gegenstimmen in der 55-köpfigen Fraktion, die anderen von fast der Hälfte.

Auch über die Motive der Kritiker gibt es unterschiedliche Angaben. Eine Reihe von Abgeordneten meint, der Protest sei ein Denkzettel für die neuen Fraktionschefinnen Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt. Sie hätten mit ihrer öffentlichen Festlegung, eine Rentenerhöhung auf 19,5 Prozent sei mit den Grünen nicht zu machen, jeden Kompromiss verbaut. Außerdem hätten sie mit ihrer Forderung nach einer Verschiebung der nächsten Rentenerhöhung eine andere Position vertreten als Parteichef Fritz Kuhn.

Volker Beck tut das, was ein parlamentarischer Geschäftsführer tun muss: Er beschwichtigt. Erstens seien es nur neun oder zehn Gegenstimmen gewesen. Zweitens seien diese vor allem als Kritik an der starren Haltung der SPD zu verstehen. Die rot-grüne Mehrheit für das Rentengesetz sei dadurch aber nicht gefährdet. Die Haltung vieler Grüner beschreibt Beck so: „Das machen wir jetzt nur mit, weil wir mit der SPD einen Vertrag haben.“ JENS KÖNIG