„Natürlich habe ich einen Schnurrbart“

Leszek Oświęcimski über die Vorlieben seiner polnischen Landsleute, sein eigenes Versagen als Schriftsteller und den Erfolg von Günter Grass. Heute stellt Oświęcimski sein Buch „Klub der polnischen Wurstmenschen“ vor, das er auch als Manifest für den „Klub der polnischen Versager“ begreift

Interview UWE RADA

taz: Wollen wir anfangen?

Leszek Oświęcimski: Ich weiß gar nicht, ob ich so viel zu sagen habe.

Leidet der Autor unter Versagensängsten?

Was soll ich sagen? Das Buch ist nicht besonders durchdacht, sondern aus dem Bauch und aus dem Herzen heraus geschrieben. Ich bin mir gar nicht ganz bewusst, was ich da geschrieben habe. Es dauerte ja auch nicht lang, zwei Monate, in denen ich Tag und Nacht geschrieben habe. Geplant war es aber seit Jahren.

Ist der „Klub der polnischen Wurstmenschen“ ein Schlüsselroman?

Ein Schlüsselroman?

Du schreibst über das „Institut Kultur und Risiko“ …

… und über den polnischen Schulzenrat …

also über zwei Institutionen, die man als Polnisches Kulturinstitut und Polnischen Sozialrat gut kennt. Das nennst du keinen Schlüsselroman?

Das kann man jetzt vielleicht so sehen, es gibt da Stellen und Leute im Buch, das stimmt. Aber Schlüsselroman? Das ist nicht meine Sache. Darüber will ich auch nicht nachdenken.

Wenn andere Autoren ihren Erstlingsroman schreiben, tingeln sie durch Talkshows und machen einen Wind um ihre Textchen, als müsste die Literaturkritik neu erfunden werden. Leszek Oświęcimski dagegen tut, als hätte ein anderer sein Buch geschrieben. Ist das Understatement eine Marketingstrategie?

Die beste Strategie ist die Ehrlichkeit. Aber natürlich steckt in jedem ein Fuchs.

Aha!

Ich bin mir aber nicht bewusst, ob das eine Strategie ist. Vielleicht. Ich kann es nicht ausschließen.

Es gab also in Deutschland diesen unglaublichen Heißhunger auf polnische Wurst. Die polnische Wirtschaft stellte ganz auf Wurstexport um. Dann kam das deutsche Importverbot, das von den Wurstmenschen unterlaufen wurde. Als Menschen gingen sie über die Grenze, als Wurst landeten sie auf der Theke. Was für eine Metapher!

Ooooh! (lacht). Das ist nicht meine Aufgabe, das zu erklären. Das werde ich nicht machen.

Gilt das auch für die Stereotype? Warum trägt Leszek Oświęcimski keinen Schnurrbart?

Warum habe ich keinen Schnurrbart. (Pause). Natürlich habe ich einen Schnurrbart. Ich trage ihn nur nicht.

Innen Pole, außen keiner?

Ja, vielleicht.

Was ist das eigentlich, ein richtiger Pole? Sind die Wurstmenschen noch richtige Polen?

Es gibt so viele Leute, die das mit Vorliebe machen, mit Stereotypen zu arbeiten. Versöhnung und all das.

Du tust das nicht? Die Deutschen in deinem Buch sind entweder ehemals linke Penner, Bullen polnischer Herkunft oder sozial engagierte Lesben.

Ja, ja, aber das Buch ist nicht die ganze Welt, es ist nur ein Ausschnitt. Da kann man gar nicht alle Typen und alle Peinlichkeiten beschreiben. Da muss man sich beschränken.

Was treibt den Autor zu einer derart aufdringlichen Bescheidenheit?

Du meinst, dass ich bescheiden bin?

Bist du es nicht?

Ich habe keinen Grund, anzugeben. Wozu?

Wozu hast du ein Buch geschrieben?

Literatur, vor allem Belletristik, muss man nicht unbedingt bei vollem Bewusstsein schreiben. Das kann man auch in Trance machen. Vielleicht nicht unbedingt Günter Grass. Aber mein Freund Lopez zum Beispiel, der schreibt seine Gedichte auch in Trance. Der Rest ist die Aufgabe derer, die diese Werke lesen. Und die haben dann mit ihren Besprechungen auf jeden Fall Recht. Wenn Sie in einem Buch eigene Erfahrungen, eigenes Leben finden – warum nicht?

Wie bist du dazu gekommen, die „Wurstmenschen“ zu schreiben?

Ich hätte dieses Buch nie geschrieben, wenn ich mit dem Klub der polnischen Versager nicht verbunden wäre. Die Motivation war also ganz einfach. Ich wollte etwas über uns schreiben, als eine Art Manifest. Während des Schreibens hat sich dann aber herausgestellt, dass ich auch eigene Erfahrungen einbringen kann. In dem Buch steckt auch mein Leben.

Bist du der große, der dicke oder der dünne Wurstmensch?

Der große natürlich! Aber fang jetzt ja nicht wieder an, zu entschlüsseln. Die Eigenschaften, die der große Wurstmensch hat, gefallen mir. Sie gefallen aber auch anderen. Der dicke Wurstmensch ist übrigens auch nicht nur Lopez.

Eine der Aufgaben, die deine Helden zu bewältigen haben, ist, ein Mehr an Selbstunsicherheit zu gewinnen.

Ja, das ist eine Konzeption. Das ist kein Stereotyp, das ist so. Die Leute aus dem Osten zweifeln mehr als die aus dem Westen. Sie glauben mehr an ihr Schicksal.

Woher nimmst du die Selbstsicherheit, dass das wirklich so ist?

Das liegt an der Geschichte.

Ist Berlin eine gute Stadt für die Wurstmenschen?

Die einzige mögliche Stadt. Berlin ist wundervoll. Wo soll ich mit meinen Interessen sonst wohnen? Ich bin begeistert.

Das hängt wohl auch von deinen Interessen ab.

Was meinst du? Ich sage nur, dass man hier in dieser Stadt sehr gut zweifeln kann, sogar an seinen tiefsten Überzeugungen.

Literatur, so steht es auf Seite 98, kann nicht viel bewirken. „Sie hielt weder die über Warschau fliegenden Bomber auf, noch konnte sie die nächtlichen Angriffe auf Dresden verhindern“. Woran wird Leszek Oświęcimski mit seiner Literatur scheitern?

Was ist Scheitern?

Das hört sich an, als würdest du doch den Erfolg suchen.

Alles, was ich brauche, ist der Lebensunterhalt und meine Ruhe.