Das dichte Netz im Eisenbahn(-gift-)pilz

Mit dem so genannten Pilzkonzept, den Bahnhöfen entlang der Ost-West-Achse und der Nord-Süd-Trasse, wollen Stadt und Bahn an goldene Zeiten des Schienenverkehrs anknüpfen. Für manche ist das Ergebnis ein teurer Giftpilz

Mit der Entscheidung der Deutschen Bahn AG für den Ausbau des Bahnhofs Papestraße als ICE-Haltepunkt erhält die Bahnhofslandschaft Berlin einen weiteren Mosaikstein seines „Pilzkonzepts“. In der Figur eines Pilzes war Mitte der 90er-Jahre der „Eisenbahnknoten Berlin“ chiffriert worden, dessen wesentliche Eckpfeiler die Regional- und Fernbahnhöfe entlang der Ost-West-Trasse und der Nord-Süd-Strecke samt Tiergartentunnel bilden.

Realisiert wurden bis dato die neuen oder sanierten Haltepunkte in Spandau (ICE), der Bahnhof Zoologischer Garten (ICE) und die Regionalhaltepunkte Friedrichstraße, Alexanderplatz sowie Ostbahnhof (auch ICE). Auf der halbkreisartigen Ost-West-Achse – dem Pilzhut –, die von Berlin nach Hannover und Hamburg, nach Küstrin und Frankfurt (Oder) führt, sollen die Stopps Ost- und Westkreuz noch umgebaut werden.

In die Kritik gekommen war das Pilzkonzept nicht nur wegen seiner Milliarden Euro teuren Investitionen, die sich wie beim Lehrter Bahnhof und den Tunnelröhren fast verdoppelten. Insbesondere die Nord-Süd-Trasse mit dem Durchstich unter der Spree und dem Lehrter Superbahnhof hat das „dezentrale“ Pilzkonzept verwässert. Mit dem neuen Lehrter Bahnhof entsteht im Zentrum Berlins ein neuer Hauptbahnhof, und mit dem Südbahnhof Papestraße sowie dem Regionalbahnhof Potsdamer Platz, im Pilzstil, wird ein Schwerpunkt zugunsten der Mitte der Stadt geschaffen. Die Richtungen Dresden, Prag und Halle/Leipzig, so die Kritiker, hätten auch über die Stadtbahn bedient werden können. Ganz im Norden wird zudem mit dem Bahnhof Gesundbrunnen (nach Stralsund und Stettin) ein weiterer Haltepunkt entstehen.

Offen ist nach wie vor, ob die beiden historischen Verbindungen, die Stammbahn nach Potsdam und weiter nach Dessau und Jena und die Dresdner Bahn, vom Bahnhof Papestraße verwirklicht werden.

Trotzdem gibt die Bahn andernorts weiter Gas. Von den neuen Bahnhöfen wird ab 2004 Hamburg in eineinhalb Stunden erreicht. Von Gesundbrunnen aus sollen die Strecken nach Rostock und Stralsund für 160 Kilometer pro Stunde ausgebaut werden. Und bis 2006 ist geplant, Frankfurt (Oder) in 36 Minuten zu erreichen.

Berlin sieht die Bahn AG ab 2006 dann als das Eisenbahnkreuz im Osten, von dem aus mehr als eine Million Fahrgäste mit einem Netz rechnen können, das an die goldenen Zeiten der Bahnhöfe erinnert. ROLA